Aufruf zu dezentralen Aktionen – Solidarität mit Dimitris Koufontinas

Der griechische Revolutionär Dimitris Koufontinas braucht unser aller Unterstützung in seinem Kampf gegen den griechischen Staat und das Knastsystem. Seit dem 08. Januar 2021 befindet er sich im Hungerstreik. Als letzte Möglichkeit setzt er seinen Körper ein, um seine Ziele zu erreichen und riskiert damit sein Leben.

Zu seiner Unterstützung müssen weltweit Menschen ihre Solidarität zeigen und auf seine Situation aufmerksam machen.

Schreibt Texte, geht plakatieren, demonstrieren, sprühen und zerstören. Jeder Beitrag ist ein kleiner Funken, der zu einer Verbesserung seiner Situation und zum Erreichen seiner Ziele beitragen kann. Werdet aktiv und seid solidarisch!

Dimitris Koufontinas befindet sich seit dem 08. Januar 2021 im Hungerstreik, nachdem die rechtskonservative Regierung Griechenlands eine Gesetzesänderung beschlossen hat. Hiernach sollen Gefangene, die als Terrorist:innen verurteilt oder angeklagt wurden, in Hochsicherheitsgefängnisse verlegt werden.

Aufgrund dieses Gesetztes wurde Dimitris Koufontinas aus dem Landwirtschaftsgefängnis bei Volos in das Hochsicherheitsgefängnis in Domokos verlegt.

Dimitris Koufontinas‘ Forderung ist die Verlegung in das Gefängnis Korydallos in Athen, welches sich in räumlicher Nähe zu Gefährt:innen und seiner Familie befindet und weniger isoliert ist als Domokos.

Momentan ist er im Krankenhaus von Lamia. Dort befand er sich die letzten Tage am Tropf. Er kann selbstständig keine Flüssigkeit mehr aufnehmen, hat Zahnfleischbluten, Sehstörungen, Verlust der Muskelmasse und Gewicht, kann nicht mehr laufen, wurde mit Kochsalzlösung versorgt (ohne andere Zusatzstoffe) und es besteht die Gefahr des Nierenversagens.

Er wurde heute, am 16.02.21, aufgrund einer massiven Verschlechterung seines Gesundheitszustands auf die Intensivstation des Krankenhauses verlegt.

Dimitris Koufontinas hatte eine Verlegung auf die Intensivstation aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Das Infektionsrisiko ist dort größer und es herrscht Besuchsverbot. Zudem ist er dort dem Direktor der Station ausgeliefert, welcher den Anweisungen der Staatsanwaltschaft folgen will und eine mögliche Zwangsernährung in Betracht gezogen hat.

Dieser Hungerstreik ist bereits der fünfte (1) in 18 Jahren Gefangenschaft. Er ist 63 Jahre alt und aufgrund der vorangegangenen Hungerstreiks, der langen Gefangenschaft und seines Alters gesundheitlich bereits angeschlagen.

Zum Hintergrund seiner Gefangenschaft

Am 29. Juni 2002 explodierte in den Händen des 17N-Mitglieds Savvas Xiros ein Sprengsatz, welcher versehentlich ausgelöst wurde. Der dabei schwer Verletzte Savvas Xiros wurde anschließend von den Behörden verhaftet. Unter Einfluss von Schmerzmittlen und Psychofarmaka tätigte er Aussagen, die zu den ersten Verhaftungen weiterer Gruppenmitglieder führte. Daraufhin kam es zu diversen Distanzierungen und gegenseitigen Belastungen einiger der Festgenommen und schließlich zur faktischen Auflösung der Organisation. Dimitris Koufontinas tauchte erfolgreich unter, stellte sich jedoch am 5. September 2002 selbst, um die politische Verantwortung für den 17N und ihren bewaffneten revolutionären Kampf zu übernehmen. Im Gefängnis schrieb er u.a. das Buch „Geboren am 17. November“, welches auch in deutscher Übersetzung erschienen ist (2). Er kämpft hinter den Mauern weiter und sorgt dabei für eine Gegenöffentlichkeit.

Der Kampf in den Gefängnissen, die auch Dimitris Koufontinas führte, ist ein fester Bestandteil des Kampfes der politischen Gefangenen in Griechenland, indem sie durch die Beteiligung an Gefängnisrevolten und größeren Hungerstreiks gegen die Schaffung von „Ausnahmestrukturen“ und die Inhaftierung unter besonderen Umständen wie der Isolationshaft kämpfen.

Vom ersten Moment seiner Inhaftierung an ist die anarchistische Bewegung Griechenlands mit ihm solidarisch und unterstützt ihn weiterhin.

Anmerkungen zur Geschichte der Revolutionären Organisation 17N

Die Revolutionäre Organisation 17. November (17N) war eine bewaffnete kommunistische Organisation mit intensiven politischen Bezügen zum nationalen Befreiungskampf der 70er Jahre. Dieser ist Teil eines Verständnisses, das die Machtverhältnisse zwischen dem U.S. – amerikanischen Staat und allen anderen Nationalstaaten als Hauptursache des Klassenkrieges ansah und deshalb gegen diese Abhängigkeit und gegen die Menschen und Institutionen, die sie kultivierten, kämpfte. 17N agierte von den 70er bis in die 90er Jahre neben einer Reihe von Gruppen und Organisationen der globalen antiimperialistischen und kommunistischen Bewegung, die sich dem bewaffneten Kampf gegen diejenigen zuwandten, die sie als imperialistische Macht betrachteten und war daher ein Ausdruck dieser Zeit, ähnlich wie Gruppen wie die RAF, Brigada Rossa und Action Directe.

Der Name der Organisation bezieht sich auf die Besetzung der politechnischen Universität in Athen durch Student:innen und andere Jugendliche. Am 17. November 1973 wurde die politechnische Universität mit Panzern geräumt. Der Kampf der Besetzenden gilt als der Beginn vom Ende der Militärjunta in Griechenland.

Seinen Ursprung hat der 17N in der Fortsetzung des bewaffneten Kampfes gegen die Diktatur (1967-1974). Er repräsentierte den Teil der Bewegung, die mit dem Übergang zur Demokratie nicht zufrieden war und ihn als oberflächlichen Regimewechsel betrachtete, der die eigentlichen Strukturen der Junta nicht veränderte. Praktisch war der Übergang von der Diktatur (Junta) zur Demokratie ohne wesentliche Änderung im Staatsapparat der Grund, der zur Fortsetzung des bewaffneten Kampfes führte.

Dies wurde durch die ersten Aktionen von 17N deutlich, einige dieser Aktionen waren Hinrichtungen von Handlangern der Diktatur, die während der Diktatur Folterungen an Dissident:innen organisierten und praktizierten und nach dem Regimewechsel nicht verurteilt oder verfolgt wurden.

Des Weiteren verstand sich der 17N in einer Kontinuität zum griechischen Bürgerkrieg (der direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, 1946-49, stattfand), in dem die kommunistische und die demokratische Koalition von der rechten Koalition, zu der auch die Nazi-Kolaborateure gehörten, entmachtet wurden. Die Sieger des Bürgerkriegs behielten ihre Macht im Staatsapparat über 30 Jahre lang und haben eine politische Kontinuität in der Regierungspartei (Neue Demokratie). Dieser Widerspruch, dass im griechischen Staat die rechte Machthaltung das Stigma der Kollaboration mit den Nazis (während des Zweiten Weltkriegs) trägt und dann die Marionette der US-Regierung war (Diktatur von 1967-74), verschaffte 17N eine breite gesellschaftliche Zustimmung, da die unteren sozialen Schichten die Hinrichtungen der Mitglieder der Bourgeoisie, der US-Botschaft und des griechischen Parastaates als selbstverständlichen Ausdruck von sozialer und Klassengerechtigkeit sahen.

In der aktuellen Regierung und deren Handeln ist der historische Kontext und die Dimension der Angriffe offensichtlich. Der 17N hat ein Mitglied der Familie des jetzigen Ministerpräsidenten Mitsotakis, Pavlos Bakoyannis, im Jahr 1989 erschossen. (3)

Die harte Linie der Regierungspartei Neue Demokratie (ND), nicht nur gegen Dimitris Koufontinas, sondern gegen die gesamte antagonistische soziale Bewegung, drückt sich in einer Reihe von beispiellosen Aktionen aus. Im letzten Jahr nutzte die ND den Lockdown unter dem Vorwand der Pandemie, um Gesetze zu verabschieden, die sie in den letzten 40 Jahren wegen des sozialen Widerstands, der mitunter zu gewaltsamen Revolten führte, nicht verabschieden konnte. Der Angriff auf Dimitris Koufontinas fügt sich in diesen Rahmen ein, dass die ND der sozialen Bewegung in Griechenland den offenen Krieg erklärt hat. Das äussert sich in der Einschränkung der Pressefreiheit, der Aussetzung des Uni-Asyls und der Einrichtung von Polizeieinheiten in den öffentlichen Universitäten, einer rassistischen Anti-Einwanderungspolitik, der Räumung von besetzten Häusern und sozialen Räumen und der Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze.

SOLIDARITÄT MIT DIMITRIS KOUFONTINAS, HUNGERSTREIKENDER SEIT DEM 8. JANUAR

BIS ALLE FREI SIND, SIND WIR ALLE INHAFTIERT

Anarchistische Unterstützer:innen aus Berlin

1)

8.09.2004: Hungerstreik gegen die Isolationsbedingungen der Gefangenen des 17N und die Entfernung des Käfigs, der den Innenhof umgab.

03.02.2015: Teilnahme an einem Massenhungerstreik von Gefangenen mit einem gemeinsamen politischen Forderungsrahmen, der sich -hauptsächlich- auf die Abschaffung der Antiterrorgesetze von 2001 und 2004, der Artikel 187 und 187A des Strafgesetzbuches, den „Hoodie“, den gesetzlichen Rahmen für die Gefängnisse des Typs C, die Anordnung der Staatsanwaltschaft zur gewaltsamen Entnahme von DNA sowie die Freilassung des mehrfach verletzten Savva Xiros, verurteilt für 17N, bezieht.

30.05.2018: Hungerstreik für die Gewährung seines regulären Urlaubs / Freigangs aus dem Gefängnis und Abschaffung des Vetorechts der Staatsanwaltschaft

02.05.2019: Hungerstreik für die Gewährung seines regulären Urlaubs / Freigangs aus dem Gefängnis

2)

https://www.links-lesen.de/geboren-am-17-november/

ISBN-13: 978-3-903022-89-8

3)

Die Familie Mitsotakis ist ein Paradebeispiel für Vetternwirtschaft und Korruption im griechischen Staat. Konstantinos Mitsotakis ist seit 1946 Mitglied des Parlaments und war von 1990 bis 1993 Premierminister; sein Sohn Kyriakos Mitsotakis ist seit 2004 Mitglied des Parlaments und derzeitiger Premierminister; seine Tochter Dora Bakoyannis, die seit 1996 Mitglied des Parlaments ist, von 2002 bis 2006 Bürgermeisterin von Athen und seither Mitglied des Parlaments und Leiterin verschiedener Ministerien; ihr Ehemann Pavlos Bakoyannis, Mitglied der Neuen Demokratie seit 1985 und 1989 Mitglied des Parlaments; ihr Sohn Kostas Bakoyannis ist der derzeitige Bürgermeister von Athen.

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