Berliner Gericht erlaubt Eigentümer Zutritt zur Rigaer 94

Berlins Polizei steht ein Einsatz in der Rigaer Straße 94 bevor. Das Kammergericht entschied: Brandschutzexperte und Eigentümer dürfen ins teilbesetzte Haus. Alexander Fröhlich
Der Eingang zum Haus in der Rigaer Straße 94 wenige Tage vor der Räumung der „Liebig 34“ am 9. Oktober.

Im jahrelangen Streit um das teilbesetzte Haus in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain hat das Kammergericht Berlin eine wegweisende und bislang einmalige Entscheidung getroffen. Damit fallen alle bislang von Innensenator Andreas Geisel (SPD) aufgestellten Hürden weg, die verhinderten, dass die Polizei dort aktiv wurde.

Auf Antrag des Eigentümers hat das Gericht per einstweiliger Verfügung beschlossen, dass ein Sachverständiger für Brandschutz und ein Vertreter des Eigentümers alle Teile des Gebäudekomplexes betreten dürfen. Selbst bei einigen Wohnungen müssen Bewohner das dulden. Dem Tagesspiegel liegt der Beschluss vor.

Damit kann der Eigentümer eine Anordnung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg umsetzen. Die Bauaufsicht verpflichtete den Eigentümer Mitte Dezember dazu, den Brandschutz durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen und Mängel zu beheben.

Zuvor war die Bauaufsicht von Baustadtrat Florian Schmidt und Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) trotz klarer Hinweise auf Brandschutzprobleme zum Stillhalten gezwungen worden. Erst im Zuge eines Verfahrens der Bezirksaufsicht der Innenverwaltung gaben Schmidt und Herrmann ihren Widerstand gegen ein bauordnungsrechtliches Verfahren auf.

Daneben hat der achte Zivilsenat des Kammergerichts auch die bisherigen Zweifel an der Vertretungsvollmacht der Anwälte des Eigentümers zurückgewiesen. Wegen dieser Zweifel war der Eigentümer in mehreren Verfahren vor dem Landgericht gescheitert.

Das Kammergericht hält nun die Nachweise zur Eintragung des Unternehmens Lafone Investments Limited ins britische Handelsregister und die Vertretungsnachweise des Geschäftsleiters und der deutschen Anwälte jedoch für ausreichend. Es rückt damit von der langjährigen Rechtsprechung ab und die bisherigen Entscheidungen des Landgerichts zurecht.

Kammergericht zerpflückt Entscheidungen des Landgerichts

Die sogenannte Publizitätswirkung des britischen „Companies Act“ entspreche der des deutschen Handelsregisters, entschied das Kammergericht. Entgegen der Beschlüsse des Landgerichts komme es auch nicht auf die Bevollmächtigungskette in dem Firmenkonstrukt des Eigentümers an, sondern allein darauf, wer die Firma vertritt. Auch hat das Landgericht sich demnach darin geirrt, ob der Geschäftsführer der Eigentümerfirma wirksam eingesetzt worden ist.

Hinter dem britischen Firmenkonstrukt verbirgt sich aus Angst vor gewaltbereiten Linksextremisten ein Berliner. Innensenator Geisel, Polizeiführung und rot-rot-grüne Koalition hatten sich bislang auf angeblich fehlende Vollmachten von Geschäftsführer und Anwalt berufen und damit ein Einschreiten zugunsten des Eigentümers abgelehnt.

Polizei und Behörden ruhten sich auf Entscheidungen des Landgerichts aus

Selbst Gespräche über einen Verkauf des Hauses an das Land oder einen städtebaulichen Vertrag wurde unter Hinweis auf die bisherigen zivilrechtlichen Entscheidungen des Landgerichts verweigert. Ihrer eigenen Verpflichtung, nach dem Amtsermittlungsgrundsatz die Vollmachten zu prüfen, kamen die Behörden nicht nach.

Innensenator Geisel und der Polizei könnte wegen der Rigaer 94 eine weitere Gerichtsentscheidung drohen, die ihr bisheriges Vorgehen komplett in Frage stellt. Für Freitag wird ein Eil-Beschluss des Verwaltungsgerichts erwartet: Die Polizei hatte dem Eigentümer Schutz beim Betreten der Rigaer 94 verweigert – trotz Brandschutzanordnung des Bezirksamts und trotz der bereits vom Bezirk amtlich festgestellten Gefahren.

Doch die Polizei und auch Berlins Innensenator Geisel pochten auf die bisherigen Entscheidungen des Landgerichts, die sich nun als falsch herausgestellt haben. Sie forderten, dass der Eigentümer eine zivilrechtliche Gerichtsentscheidung erwirken muss, die ihm den Zutritt erlaubt, um die Anordnung des Bezirksamts umzusetzen. Durch die neueste Entscheidung des Kammergerichts ist diese Bedingungen nun erfüllt.

Beim Verwaltungsgericht geht es um die Frage, ob der Eigentümer überhaupt solch einen zivilrechtlichen Beschluss gegen die Bewohner zum Betreten des Hauses erwirken musste. Oder ob die Polizei nicht ohnehin verpflichtet wäre, den Eigentümer bei der Umsetzung der bezirklichen Anordnung zu schützen. Wenn also die eine Stelle des Staates es verweigert, der Gefahrenwarnung einer anderen staatlichen Stelle nachzukommen.

Selbst in der Sicherheitsbehörde gibt es Zweifel an der Ablehnung des Schutzersuchens, das offenbar politisch gewollt und mit Polizeipräsidentin Barbara Slowik abgestimmt war.

Das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin verpflichtet die Polizei dazu, „Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren“. Sie muss „im Rahmen dieser Aufgabe auch die erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistung und das Handeln in Gefahrenfällen zu treffen“. Und diese Gefahren bestehen, das ist vom Bezirksamt bestätigt.

Die Polizeiführung sowie die Innenverwaltung meinen jedoch, dass ein anderer Passus des Gesetzes hier gilt. Nämlich: „Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde.“