Zur Antifa Demo heute in Lichtenberg
Ein paar Eindrücke vom und Überlegungen zum heutigen Nachmittag in Lichtenberg. Disclaimer: Dieser Text enthält keine Informationen, die die Nazis – u.a. ein rechter Youtuber hat auch mal wieder ununterbrochen die Demo abgefilmt – nicht eh schon hätten.
Als wir gegen 14:30 in Lichtenberg ankamen, bot sich uns ein eher trauriges Bild. Ca. 200 bis 250 Menschen bei eigentlich zwar kühlem, aber sehr schönem Wetter vor einer Bühne mit einer Anlage, die offenbar für deutlich mehr Menschen ausgereicht (und wahrscheinlich gedacht) war.
Auffällig war der große Anteil von Menschen im klassischen K-Gruppen-Outfit. Diese machten geschätzt mindestens die Hälfte der Menschen auf der Kundgebung aus.
Wir hörten dann etwas Musik, die wir jetzt nicht völlig überzeugend fanden (das ist aber auch nicht wichtig, mensch sollte eine Kundgebung nicht – nur oder vor allem – nach den musikalischen Beiträgen beurteilen). Als dann aber der nächste Act auf die Bühne kam und nach ein paar einleitenden Worten (zu Palästina, was sonst) die Parole „Antifaschismus heißt Antizionismus“ verkündete, war für uns schon wieder der Zeitpunkt gekommen, dieses Trauerspiel zu verlassen.
Welche Erkenntnisse ziehen wir aus den heutigen Erlebnissen?
Zum einen, und das ist ja nicht neu: Extreme Pro-Palästina-Gruppen nutzen gerne jeden Anlass, diesen Anlass in eine Veranstaltung mit Palästina-Fokus zu verwandeln. Das ist nicht neu. Das es ihnen auch bei dieser Antifa-Demo offenbar gelungen ist, ist aber – angesichts der aufrufenden Gruppen – schon etwas schade und auch dramatisch. Offenbar muss mensch hier in Zukunft auch bei jeder Antifa-Demo sehr genau schauen, wer mit welchen Texten dazu aufruft, um sich vorab zu überlegen, ob das wohl eine Demo sein wird, auf der sich mensch wohl fühlt.
Zum zweiten: Die ganzen Jung-Kommi-Gruppen geben sich immer sehr wichtig, sowohl auf der Straße als auch online, wirklich große Mobilisierungsstärke haben sie aber auch nicht. Mehr als ein paar hundert Menschen kommen hier nie zusammen, also unvergleichlich viel weniger als das, was eine antiautoritäre aktivistische Linke vor ein paar Jahren noch auf der Straße gezeigt hat.
Zum dritten: Wir brauchen wieder etwas mehr Mut als aktivistische, antiautoritäre Linke. Es macht zum einen überhaupt keinen Spaß Sachen mit den Kommi-Gruppen zu organisieren. Wir sollten wieder den Mut haben, uns hier klar abzugrenzen, unsere eigenen Sachen zu organisieren und die K-Gruppen bei der Organisation draußen vor zu lassen: Kein Teil der Orga oder des Bündnisses, keine Aufgaben auf der Demo, keine Redebeiträge. Dann sind die K-Gruppen wahrscheinlich vergrätzt und kommen nicht oder nur vereinzelte Leute. Es besteht aber durchaus die Hoffnung, dass dann vielleicht 150 Leute weniger aus dem K-Gruppen-Spektrum kommen, dafür aber ein paar Hundert dazu kommen, die auf diese K-Gruppen-Strukturen eh keinen Bock haben.
Mag sein, dass das nicht von heute auf morgen passiert, aber die Chance ist da. Beispiel: Als „Hände weg vom Wedding“ noch eine undogmatische Stadtteilgruppe war, kamen bis zu 5 – 6.000 Leute zu bunten, wütenden, lustigen, vielfältigen Demos in den Wedding, vor allem am Vorabend des ersten Mai. Seitdem sich „Hände weg vom Wedding“ hingegen zu einer K-Gruppe transformiert hat, schaffen sie schon lange nicht mehr auch nur ein zehntel dieser Beteiligung; zu den – oft monothematisch auf Palästina aufgerichteten – Kundgebungen oder Demos kommen maximal ein paar Hundert Menschen, meist weniger.
Zum vierten: Wir als antiautoritäre Linke müssen uns dringend überlegen, welche Angebote wir machen können, damit wieder mehr Leute den Weg zu uns finden. Es kann wohl kaum geleugnet werden, dass gerade auf social media die K-Gruppen hier einen deutlichen Vorsprung haben, teilweise sehr professionell auftreten und hier einen ganz schönen Hype verbreiten. Was können wir dem entgegensetzen? Wo sind die offenen Gruppen, Veranstaltungen, Angebote und Aktionen, wo neue Leute dazukommen können? Damit sind nicht unbedingt durchorganisierte IL-Aktionen gemeint, wo ein paar Kader den Plan haben und das Fussvolk mitläuft (überspitzt dargestellt), sondern eher offene, niedrigschwellige, gerne auch lustige Aktionen, bei denen wir Kapital, Staat, Militär, Patriarchat und all den anderen miesen Autoritäten und Gewaltverhältnissen in die Suppe spucken.
Viel zu verlieren haben wir nicht, das könnte auch ein Vorteil der aktuellen Situation sein. Wir könnten eigentlich nach Herzenslust Sachen ausprobieren, Versuche starten, mit Aktionsformen experimentieren… Wir sehen uns (auch) auf der Straße!
