Veteranentag-Adbustings: Diese Behörden sind stinksauer

Gleich in mehreren Städten schlagen Behörden Alarm wegen bundeswehrkritischer Plakate und verfolgt die angeblichen Übeltäter:innen. Bundesweit kritisierten Aktivist:innen zum ersten „nationalen Veteranentag“ mit sogenannten Adbustings Nazi-Strukturen im  Militär. Nun ermittelt die Polizei in Schwerin, Stralsund, Tübingen und Dresden. Im Mecklenburg-Vorpommern war die Aktion sogar Thema im Innenausschuss des Landtages. „Wir freuen uns, dass die Polizei unseren Plakaten so viel Beachtung schenkt“, sagt Kai N. Krieger, Sprecher:in des Antimilitaristischen Aktionsnetzwerks: „Schön wäre nur, wenn sie den Inhalt beherzigen und etwas gegen Nazis in Polizei und Militär tun würden. Doch leider verfolgen die Behörden mal wieder lieber Meinungsäußerungen, die ihr nicht passen.“

Nazis, Patronen, Einzelfälle
Anlässlich des ersten Veteranentags am 15. Juni hatten Aktivist:innen in 15 Städten aus 12 Bundesländern Werbevitrinen gekapert und dort Plakate im Design der Bundeswehr platziert. Doch an Stelle von Werbung für’s Militär stand auf den Postern: „Mit Nazipreppern abhängen? Nein zum Veteranentag!“ und „Deutscher Mix: Nazis, Patronen, Einzelfälle. Nein zum Veteranentag!“ Kai N. Krieger erklärt die Aktion: „Die Sprüche sind Anspielungen auf eine Reihe rechter Skandale rund um die Bundeswehr und die Veteranenverbände. Mit den gefälschten Adbusting-Plakaten wollten wir irritieren und Menschen zum Nachdenken bringen.“

Die Stadt Tübingen fordert von der Friedensgesellschaft DFG-VK, den tapferen Einsatz Tübinger Polizist:innen zum Aufspüren dieser militärfeindlichen Störpropaganda zu bezahlen. In Schwerin gibt es bereits Vorladungen wegen Beleidigung. Die Dresdner Polizei sucht nach Zeugen. Und in Stralsund versucht die Polizei durch Telefonanrufe, an die Namen derjenigen rann zu kommen, die sie für Tatverdächtig halten. „Statt rechtsextremer Terrornetzwerke verfolgt die Polizei lieber militärkritische Plakatkunst“, sagt Kai N. Krieger, Sprecher:in der Werkstatt für antifaschistische Aktionen, die in  Berlin ähnliche Plakate aufgehängt hatte.

Zwei Vorladungen in Schwerin
In Schwerin haben wegen der Adbusting zwei Leute Vorladungen von der Polizei bekommen. Die Polizei dort findet, dass die Sichtbarmachung des Nazi-Problems in der Bundeswehr ganz schlimme Beleidigung sei so Kai N. Krieger. Einer der Betroffenen sagt: „ich warte ab und wenn die eine Verhandlung wollen dann möglichst in einem großen Saal weil wir viele Leute dazu einladen.“

Telefonterror in Stralsund
In Stralsund sucht die Polizei mit viel Mühe nach den Tatverdächtigen. Die Kriminalpolizei hat am 2. September ein Parteimitglied der Linken angerufen. Erhofft haben sie sich so die Namen von angeblich Tatverdächtigen Solid‘s herauszufinden. Erfolgreich war der Versuch jedoch nicht. Da versuchen die Behörden ganz schön hartnäckig, Adbuster:innen, die das Militär kritisieren, zu verfolgen. Und das, obwohl eigene Plakate in Werbekästen aufzuhängen nicht mal strafbar sei, so Kai: „Die Zuständigen Polizisten könnten sich mal unsere Sammlung an erfolgreichen Klagen und Gerichtsprozessen anschauen. Wir schicken sie ihnen auch gerne zu, falls es das erleichtert.“

CDU Mecklenburg-Vorpommern schlägt Alarm
Auch im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns war die Aktion in der 97. Ausschussitzung für Inneres, Bau und Digitalisierung am 3.7.2025 Thema. Die CDU forderte wegen Verdacht auf eine politisch motivierte Straftat einen Bericht im Innenausschuss ein und versuchte die Aktion zu skandalisieren. „Ausgerechnet in dem Bundesland, das sein Naziprepper-Veteranen-Netzwerk “Nordkreuz” bis heute nicht richtig aufgearbeitet hat, verfolgen Behörden und Politik Menschen wegen aufzeigen von Nazistrukturen bei der Bundeswehr“, gibt Kai N. Krieger  zu bedenken.

Tübingen: Friedensgesellschaft soll Gehalt von Polizist:innen bezahlen
In Tübingen hingegen versucht die Stadt, sich die Adbusting-Schnitzeljagd der Polizei bezahlen zu lassen. Dafür hat die Stadt dem Bundesverband der Friedensgesellschaft DFG-VK eine Rechnung geschickt. Da das Jugendnetzwerk der DFG-VK die Adbusting-Plakate entworfen hatte, soll die DFG-VK nun den Stundenlohn der Polizeibeamten für die Suche nach Plakaten zahlen. Dabei sind Adbustings mit selbst mitgebrachten Plakaten nach Beschluss mehrerer Staatsanwaltschaften nicht einmal strafbar. Was auch immer Tübinger Polizist:innen dazu treiben mag, für die Werbefirma Ströer Praktikant:innen zu spielen – das von der DFG-VK auch noch bezahlt bekommen zu wollen ist wirklich lächerlich!

Polizei Dresden sucht nach Zeugen
In Dresden schafften es die Veteranentag-Adbustings unter anderem auf die Titelseite der Dresdner Morgenpost. Die Dresdner Polizei reagierte mit einem Zeugenaufruf. Die Poster “seien allesamt entfernt und als Beweismittel sichergestellt worden […] Man suche Zeugen (…), die Hinweise zu den Verantwortlichen geben können”, so Tag 24 (16.06.2025) .

Polizei zeigt ihr wahres Gesicht
Gleich in mehreren Städte verfolgen die Polizeibehörden also mit großem Elan Aktionen, die gar nicht strafbar sind. Wieso? Kai N. Krieger hat die Antwort: „Die Polizeibehörden aus Schwerin, Tübingen, Stralsund und Dresden verfolgen hier nicht Straftaten, sondern Meinungen.“ Die Adbustings hätten es geschafft, zum Veteranentag auf die Skandale um rechte Netzwerke im Militär aufmerksam zu machen. „Kein Wunder, dass sich Polizist:innen deswegen aufregen. Ob bei ‚Uniter‘, ‚Nordkreuz‘, im ‚Hannibal-Netzwerk‘ oder in der ‚Patriotischen Union‘. In jedem guten Naziprepper-Netzwerk mischen auch Polizist:innen mit.“

Oft verfolgt, doch nicht erfolgreich:
Ein solches Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft gegen Adbuster:innen ist nichts neues. Erfolgreich sind sie damit jedoch kaum. Erst 2023 wurde eine Hausdurchsuchung wegen eines Bundeswehr-Adbustings vom Bundesverfassungsgericht für illegal erklärt.

Adbusting ist grundrechtlich geschützt. In: Verfassungsblog, 4.6.2020. Gutachten von Prof. Dr. Fischer-Lescano und Andreas Gutmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen. https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/

Dr. Pia Lorenz: Eine Jurastudentin zieht nach Karlsruhe. In: Legal Tribune Online, 23.10.2020. Hier sagen drei Jura-Profs, dass das mit der Kriminalisierung schwierig wird: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting-jurastudentin-verfassungsbeschwerde-strafbar-diebstahl-sachbeschdigung-urheberrechtsverletzung/

Podcast von Prof. Dr. El-Ghazi und Prof Dr. Zimmermann zum Thema Adbusting: https://open.spotify.com/episode/0kjKQbxyoN5LBcQem861ED „AdBusting“ im gesellschaftspolitischen Meinungskampf Aufsatz von Oliver Lampe, Steffen Uphues, NJW 11/2021, S. 730 ff.

Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags: Das „Fälschen“ von Wahlplakaten. Zivilrechtliche Implikationen, 2018. https://www.bundestag.de/resource/blob/565440/66ccf15ff1883c9a212dd04c726a8a96/WD-7-124-18-pdf-data.pdf

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