Replik auf „die Erneuerung der Sozialdemokratie..!“

Sollten Anarchist*innen nun der Linkspartei beitreten, sich in ihr organisieren, weil die Zeichen der Zeit darauf hinweisen, dass hier noch effektiv etwas zu verteidigen oder zu holen wäre?
Diese Frage möchte paradox-a offen stellen um sie fundiert verneinen zu können. (https://kontrapolis.info/15119/) Eine Frage, die uns im ersten Moment irritiert und ärgert. 1.) warum eine Frage stellen, deren Antwort schon klar ist? 2.) und warum ausgerechnet diese Frage stellen?
Im zweiten Moment erkennen wir, dass hier wirklich eine virulente Frage angesprochen wird. Den Zustrom (ehemaliger) Genoss*innen zur Linken; der aktuelle Diskurs, der in den Kampagnen der Linken, die wirkungsmächtigste Antwort auf die akuten Faschisierungstendenzen sieht etc. Das wirft Fragen auf. Und selbstverständlich müssen Fragen offen gestellt werden. Nur wenn sich die dem eigenen Denken widersprechenden Ansichten verständnis-suchend genähert wird, können diese „fundiert“ zurückgewiesen werden. Nur so kann eine identitär-dogmatische Verneinung verhindert werden.
Es genügt aber nicht, gestellte Fragen offen und undogmatisch anzugehen – es gilt auch die Frage richtig zu stellen. Der Zustrom zur Linken lässt uns nicht fragen: sollen wir da auch mitmachen? Sondern beispielsweise: warum ist das emanzipatorische Potential der Linken und vergleichbarer Parteien beschränkt? Daran anschließend lässt sich dann auch fragen: warum gewinnen bei Wahlen meistens die Rechten? Warum korrumpieren sich die Linken, wenn sie Wahlen gewinnen, während die Rechten sich radikalisieren?
Oder weitergehend: warum bedarf es Kritik und Praxis, die den parlamentarischen Rahmen überschreitet? Wie kann ein solcher Angriff auf das Bestehende aussehen, angesichts der faschistoiden Bedrohungen? Angesichts auch regressiver Tendenzen in der radikalen Linken selber — die auch auf dieser Seite immer wieder zu erkennen sind. Der Zustrom von Bewegungslinken zur Partei erfordert auch eine Selbstkritik der außerparlamentarischen und antiparlamentarischen radikalen Linken.
Paradox-a ist sicherlich zuzustimmen, dass aktuell (und generell!) angesagt ist „Sektierertum und Kreisen um die eigene Identität endlich hinter sich zu lassen, sowie die Zielvorstellung nicht als abstraktes Ideal anzubeten“. Wer würde dem Widersprechen? Aber sind in der realen widerständigen Praxis (wozu auch die radikale, kritische Theorie gehört) Sektierertum und Kreisen um die eigene Identität, immer klar zu trennen, von notwendiger Selbstverständigung und Entwicklung radikaler Positionen und Perspektiven – die eben auch Abgrenzung zum Status quo und überkommenen Formen von Kritik an diesem.
Abgrenzung bedarf es eben auch, gegenüber den Inhalten und Strategien der Linkspartei. Alle welche diese Partei aus pragmatischen Gründen, als kleinstes Übel gewählt haben (wie etwa in unserem Wahlaufruf gefordert: https://kontrapolis.info/14938/) sollten sich bewusst sein, dass der relative Erfolg (uns erscheint das Jubeln angesichts der rechnerischen Mehrheit für CDU+AFD mehr als unangebracht!) zu einer Sogwirkung führt, welche sich auch in der Frage von paradox-a widerspiegelt: soll man jetzt auch da mitmachen?
Zu befürchten ist, dass sich, gerade junge Aktivist:innen zunehmend der Parteipolitik zuwenden, dass „die Linke“ das subversive Potential in strukturell herrschaftsförmig und reformistische Bahnen kanalisiert. Eine Kritik an der „erneuerten Sozialdemokratie“ ist deshalb ebenso wichtig, wie Bewegungen, die unbeeindruckt von Wahlausgängen auf etwas anderes zielen. Das von paradox-a geforderte langfristige Denken und Handeln ist hier sicherlich wichtig; die revolutionäre Ungeduld, die sagt „jetzt, hier, wir“ hat aber ebenfalls ihre Berechtigung!
passiert am 07.03.2025