Mutmaßlicher Neonazi-Angriff: Mehrere Verletzte bei Attacke vor Köpenicker Späti

Erst Pöbeleien, dann Schläge mit der Glasflasche: Am Wochenende kommt es zu einer brutalen Attacke vor einem Köpenicker Spätkauf. Zeugen vermuten die Täter im organisierten Neonazi-Spektrum.

Von Julius Geiler

04.06.2024, 18:03 Uhr

Es sollte ein gemütlicher Ausklang des Freitagabends vor einem Köpenicker Spätkauf werden, der für Moritz Becker schließlich in der Notaufnahme des Krankenhauses endete. Becker, der eigentlich anders heißt, kommt mit mehreren Freunden von einem Konzert, als sie sich im Außenbereich eines Kiosks in der Bahnhofstraße niederlassen. Gegen 23.50 Uhr am vergangenen Freitag, kurz vor Mitternacht, läuft eine vierköpfige Gruppe am Späti vorbei, erzählt der Berliner dem Tagesspiegel.

Aus der Gruppe heraus werden Becker und seine Freunde angepöbelt. „Scheiß Zecken mit langen Haaren“, soll einer der Angreifer gerufen haben, es folgt ein „Verpisst euch aus Köpenick!“. Die Freunde vor dem Späti gehen nicht darauf ein: „Wir haben das ignoriert“, sagt Becker. Doch dann eskaliert die Situation innerhalb von Sekunden.

Als die Pöbler eine entgegenkommende Frau mit erkennbarem Migrationshintergrund auf dem Bürgersteig absichtlich anrempeln, habe er interveniert. „Ich habe denen zugerufen, was das soll“, erzählt Becker. Dann geht alles ganz schnell. Zwei junge Männer aus der Gruppe, Becker schätzt sie Anfang 20, drehen sich um und laufen zurück zum Spätkauf. „Ich lasse mir von euch scheiß linken Zecken nicht meinen Kiez wegnehmen“, soll einer der Männer gebrüllt haben, bevor er Moritz Becker ins Gesicht spuckt.

Die Täter waren „extrem enthemmt“

Dann beginnen sie, auf ihn einzuschlagen. Seine Freunde sollen noch versucht haben, sich zwischen die Angreifer und ihn zu stellen, doch einer der Täter holt immer wieder aus und schlägt mit einer Glasflasche auf Beckers Kopf ein. „Selbst als ich am Boden lag, hörten sie nicht auf, prügelten mit ihren Fäusten und der Flasche auf mich ein“, berichtet der Berliner. Becker beschreibt die Täter als „extrem enthemmt“, der Angriff sei „brutal“ gewesen.

Das zeigt sich auch daran, dass nach Beckers Schilderungen sofort mehrere Umstehende versuchen einzugreifen, die auch sofort von den beiden Tätern angegriffen werden. Insgesamt seien mindestens fünf Menschen verletzt worden, darunter auch die Betreiber des Spätkaufs, die sofort auf die Straße eilten. Becker selbst trägt Kopfverletzungen davon, noch in der Nacht müssen sie genäht werden. Am Montag wird von einem Arzt eine Gehirnerschütterung festgestellt. Eine Freundin von ihm wird am Knie verletzt, ein anderer Freund blutet direkt nach dem Angriff aus dem Ohr.

Zufällig vorbeifahrende Zivilstreife greift ein

Die Gewalt-Attacke vor dem Köpenicker Späti endet schließlich, als zufällig eine Zivilstreife der Polizei am Geschehen vorbeifährt. Die Beamten halten an und überwältigen die Täter nach Schilderung von Zeugen mit Pfefferspray, um sie dann festzunehmen. Sowohl Becker als auch seine Freunde sind sich sicher, dass die Täter der organisierten Neonazi-Szene entstammen, die insbesondere in Treptow-Köpenick eine lange Historie hat.

Die Berliner Polizei teilte auf Tagesspiegel-Anfrage mit, dass mittlerweile der Staatsschutz die Ermittlungen in dem Fall von der örtlichen Direktion in Köpenick übernommen hat. Weitere Details will die Behörde am Mittwoch mitteilen. Die beim Staatsschutz angesiedelten Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung sind jedoch ein Zeichen dafür, dass die vermutete politische Dimension der Betroffenen bestätigt wird.

Nicht weit vom Ort des Angriffs entfernt liegt die Parteizentrale der rechtsextremen „Heimat“ (ehemals NPD). Insbesondere der Treptow-Köpenicker Stadtteil Schöneweide galt unter anderem wegen mehrerer Szene-Immobilen jahrelang als berlinweiter Neonazi-Hotspot.

passiert am 08.06.2024