Berliner Chef der Jungen Union in Bedrängnis: War Harald Burkart AfD-Mitglied?

Fast vier Jahre lang soll der Landeschef der Jungen Union Mitglied der AfD gewesen sein. Der 28-Jährige bestreitet das. Aus der AfD gibt es unterschiedliche Aussagen.

Es ist vor allem ein Wort, mit dem der Vorsitzende der Jungen Hauptstadt-Union in Medienberichten regelmäßig beschrieben wird: „umstritten“. Diese Verbindung dürfte sich mit einem Bericht der „taz“ von Montagabend kaum ändern. Die Zeitung schreibt, der 28-jährige Harald Burkart könnte von 2014 bis 2018 Mitglied eines AfD-Kreisverbandes in Baden-Württemberg gewesen sein und bezieht sich dabei auf Recherchen einer Freiburger Antifa-Gruppe. Der JU-Chef bestritt das gegenüber der taz, eine Tagesspiegel-Anfrage blieb unbeantwortet.

Ein Sprecher des AfD-Kreisverbands Baden-Baden/Rastatt erklärte dem Tagesspiegel, Harald Burkart sei dort als Mitglied geführt worden, er sei am 4. Mai 2014 dort eingetreten und habe seinen Antrag damals als Online-Formular abgeschickt. In schriftlicher Form liege das Dokument aber nicht vor. Der Bestätigung des Kreisverbands habe Burkart nicht widersprochen. Es sei wegen damaligen Prozederes möglich, dass Burkart lediglich im Kreisverband und nicht in der Bundes-AfD als Mitglied geführt worden ist. Es sei nicht ungewöhnlich, dass aus der Anfangszeit der Partei keine Mitgliedsanträge vorliegen.

In der Datenbank des Kreisverbands sei eine Mitgliedsnummer hinterlegt, sagte der Sprecher. „Er kann nur eine Mitgliedsnummer bekommen, wenn er wirklich Mitglied wurde.“ Beim Kreisverband sei auch Burkarts Geburtsdatum hinterlegt worden, ebenso eine Adresse, an der er gemeldet gewesen sei. Am 9. November 2017 sei die Mitgliedschaft gekündigt worden, weil Burkart seine Beiträge nicht gezahlt habe, sagte der Sprecher.

Anwalt und Bundes-AfD widersprechen

Dem widerspricht die Medienrechtskanzlei, die Burkart mittlerweile anwaltlich vertritt. Burkart sei nie Mitglied der AfD gewesen. Untermauert wird die Aussage durch eine beigefügte Mail-Korrespondenz mit der Bundesgeschäftsstelle der AfD. In dieser teilt die Partei mit, dass Harald Burkart nie unter der entsprechenden Mitgliedsnummer bei der AfD geführt worden sei, keinen Mitgliedsantrag gestellt und zu keinem Zeitpunkt Mitgliedsbeiträge gezahlt habe. „Eine Mitgliedschaft hat es daher nie gegeben. Ein falsch ausgefülltes Web-Formular könnte hieran nichts ändern“, erklärte der Anwalt.
Die „Autonome Antifa Freiburg“ schreibt auf ihrer Homepage, dass Burkart unter der Nummer 10586931 von Mai 2014 bis April 2018 knapp vier Jahre lang Mitglied des AfD-Kreisverbandes gewesen sein soll. Die Daten wurden der Gruppierung zuvor zugespielt und konnten vom Tagesspiegel eingesehen werden. Gleich mehrere Auffälligkeiten sprechen dafür, dass es sich bei dem betreffenden Datensatz tatsächlich um den Berliner Landesvorsitzenden der Jungen Union handeln könnte.

Daten weisen auf JU-Chef hin

So stimmen die vermerkten Daten des Geburtsjahrs und der privaten Mail-Adresse mit denen von Burkart überein. Dazu stellte der betreffende Kreisverband im Jahr 2018 fest, dass die Post an ein Mitglied mit dem Namen Harald Burkart nicht zustellbar sei, weil dieser sich in Kanada befinde. Auch das lässt sich aus dem geleakten Datensatz herauslesen. Der Berliner JU-Vorsitzende gab einst bei einer Bewerbung um den stellvertretenden Landesvorsitz der Christlich-Demokratischen Arbeiterschaft an, in den USA und Kanada gelebt zu haben. Laut Burkarts Anwalt, sei der JU-Vorsitzende jedoch zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr in Kanada gewesen.

Zumindest im Jahr 2014 galt die AfD unter dem einstigen Vorsitzenden Bernd Lucke noch als europaskeptische und nationalliberale Partei, bis sie sich unter der neuen damaligen Doppelspitze um Frauke Petry und Jörg Meuthen deutlich nach rechts entwickelte.

Burkart und das durstige Kamel

Grundsätzlich ist im Internet, selbst auf Websites der Jungen Union oder der CDU, so gut wie gar nichts über den Lebenslauf von Burkart zu erfahren. Aus dem Jahr 2016 existiert allerdings ein Artikel der „Bild“ über ein jordanisches Kamel, das an einer Wasserflasche aus Plastik nippt. Das kuriose Foto sei von Leserreporter Harald Burkart aus Rastatt in seinem Urlaub aufgenommen worden, schreibt die Boulevardzeitung dazu.

Auch dieser angegebene Wohnort passt zu den veröffentlichten Adress-Daten aus dem AfD-Leak des Kreisverbandes Baden-Baden/Rastatt zum mutmaßlichen Mitglied Burkart. Ebenfalls stimmig ist das im Text angegebene Alter.

Die Medienrechtskanzlei teilte zu den Daten im Auftrag Burkarts mit, dass es viele Gründe haben kann, dass eine Partei über Kontaktdaten verfügt. „Unser Mandant erinnert sich, im Jahr 2014 einmalig an einer Veranstaltung auf einem Marktplatz des damaligen Europawahl-Spitzenkandidaten mit Bernd Kölmel teilgenommen und dort seine Kontaktdaten in einer Namensliste hinterlegt zu haben, gegebenenfalls für einen Newsletter“, heißt es in Reaktion auf eine Tagesspiegel-Anfrage.

Als Burkart zu einem späteren Zeitpunkt einen Newsletter erhalten habe, soll er sofort mitgeteilt haben, dass er diesen nicht mehr empfangen wolle. Daraufhin sei ihm der Newsletter nicht mehr zugesandt worden. „Einen Mitgliedsantrag hat er niemals gestellt oder auch nur daran gedacht“, schreibt Burkarts Anwalt.

Burkart selbst inszeniert sich im politischen Berlin als eher progressive und liberale Stimme. Der 28-Jährige ist der erste offen schwule Mann an der Spitze der Berliner JU. Die Wahl Burkarts im vergangenen Sommer gilt bis heute als umstritten und wird aus formalen Gründen angezweifelt.

„Herr Burkart ist im Übrigen nicht satzungsgemäß gewählt“

Vor diesem Hintergrund ist wenig verwunderlich, dass die Berliner CDU ihrem Mitglied auf Anfrage nicht unbedingt den Rücken stärkt. Die Partei habe von der möglichen AfD-Mitgliedschaft durch die Recherchen der „taz“ erfahren, berichtet Generalsekretärin Ottilie Klein.

„Ein klares Dementi der Vorwürfe würde seiner Glaubwürdigkeit sicherlich guttun“, sagte Klein dem Tagesspiegel. „Für die CDU Berlin ist Herr Burkart im Übrigen nicht satzungsgemäß gewählt und damit nicht Landesvorsitzender der Jungen Union“, heißt es in dem Statement weiter.

Grüne: In Berliner CDU „folgt ein rechter Skandal auf den nächsten“

Der CDU-Vorsitzende und Regierende Bürgermeister Kai Wegner müsse den „Sonntagsreden gegen Rechtsextremismus“ nun auch Taten folgen lassen, fordert unterdessen die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „In der Berliner CDU folgt ein rechter Skandal auf den nächsten. Eine mehrjährige AfD-Mitgliedschaft und die Verbreitung rechtsradikaler Inhalte sind keine Kavaliersdelikte“, erklärte der Sprecher für Strategien gegen Rechts, Ario Mirzaie, in einem schriftlichen Statement. Der Abgeordnete spielt damit auf mehrere Vorwürfe der vergangenen Monate gegen Christdemokraten der Hauptstadt-CDU an.

Zu Beginn des Jahres lösten Recherchen des „Spiegel“ neue Unruhe um Burkart aus. Mehrere Screenshots einer internen WhatsApp-Gruppe legen nahe, dass er 2020 die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Adolf Hitler verglich. Außerdem gefiel Burkart ein Post des AfD-Abgeordneten Matthias Helferich auf Instagram, der sich selbst einmal als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnete. Es sei ihm keinesfalls um einen Vergleich gegangen, sagte der 28-Jährige dem „Spiegel“ damals, vielmehr sei seine Intention eine „satirische Adaption“ gewesen. (mit cla)

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passiert am 10.04.2024