Enthüllungen um Berliner Ex-Finanzsenator: Peter Kurth soll in ultrarechter Burschenschaft aktiv sein
Kurth soll die „Identitären“ finanziell unterstützt haben und der Ehemaligen-Vereinigung „Gothia“ vorstehen. Auch einem aktiven CDU-Politiker werden rechte Verbindungen nachgesagt. Er reagierte nun.
Nach den jüngsten Enthüllungen rund um ein Rechtsfront-Treffen beim Berliner Ex-Senator Peter Kurth (CDU) im Juli 2023 kommen weitere Verbindungen ans Licht.
Demnach soll der ehemalige Finanzsenator ein Projekt der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“ (IB) finanziell unterstützt haben. Dies berichtet der „Spiegel“ unter Berufung auf interne E-Mails und Gerichtsdokumente. Außerdem soll Kurth seit Jahren als führendes Mitglied der ultrarechten Burschenschaft Gothia aktiv sein.
Auch der Berliner CDU-Innenexperte Robbin Juhnke soll laut „Spiegel“-Recherchen Verbindungen zur Burschenschaft Gothia haben. Juhnke ist als Mitglied des Abgeordnetenhauses sowohl Teil des Ältestenrates als auch des Präsidiums. Die Fraktionen von Linken und Grünen fordern eine Prüfung der Vorwürfe. Juhnke trat nach eigenen Angaben aus der Schülerverbindung der Burschenschaft, die den Namen Iuvenis Gothia trägt, am Freitag aus.
Laut den Spiegel-Recherchen soll Kurth als Investor eine „hohe Summe“ in eine von Rechtsextremen genutzte Immobilie in Chemnitz investiert haben. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz soll in diesem Zusammenhang laut Gerichtsunterlagen gegen zwei Spitzenfunktionäre der Identitären ermitteln. Es soll sich laut dem Bericht um Bundeschef Philip Thaler und den Chemnitzer Ortsgruppenleiter Vincenzo R. handeln. Der ehemalige CDU-Politiker Kurth wird jedoch bislang nicht als Beschuldigter geführt.
Thaler und R. sollen in Chemnitz ein Immobiliengeschäft gestartet haben. Über eine Firma, die sie 2022 gegründet hatten, kauften sie eine Ladenfläche im Chemnitzer Stadtteil Schönau. Dort trafen sich später auch die Mitglieder der „Identitären Bewegung“. In die Finanzierung dieser Immobilie soll Peter Kurth jedoch „eine hohe Summe“ investiert haben. Dies bestätigten mehrere Quellen aus Sicherheitskreisen, hieß es weiter in dem Spiegel-Bericht.
Zu den Verbindungen von Kurth zur ultrarechten Gothia schreibt der Spiegel, dass der Ex-Senator im Vorstand einer Art Alumni-Vereins aktiv gewesen sein soll. Bereits vor neuneinhalb Jahren soll Kurth zum zweiten Vorsitzenden gewählt worden sein. Dies geht aus Akten des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg hervor, berichtet der „Spiegel“. Im Januar 2023 soll Kurth dann zum ersten Vorsitzenden ernannt worden sein.
Der Verein „Vereinigung Alte Gothen“ soll unter anderem das Vermögen der Burschenschaft Gothia verwalten. Die Burschenschaft gilt als Scharnier zwischen rechtsextremen und konservativen Kreisen.
Erst vor Kurzem war bekannt geworden, dass Kurth, der seinerzeit als Liberaler in der Berliner Union galt, in seiner Wohnung in Mitte Rechtsextremisten empfangen hatte – bei dem Treffen dabei war auch Berlins AfD-Landeschefin Kristin Brinker.
Dass CDU-Innenexperte Juhnke Mitglied der Schülerverbindung „Iuvenis Gothia“ war, ist laut Medienberichten seit 2013 bekannt. Eine Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung hatte Juhnke damals gegenüber der Berliner Morgenpost allerdings dementiert.
War Juhnke bis 2023 in Kontakt mit der Burschenschaft?
Interne E-Mails, welche dem „Spiegel“ vorliegen, sollen jetzt belegen, dass die Studentenverbindung Gothia noch bis 2023 im Kontakt mit Juhnke war. Sowohl ein internes Versammlungsprotokoll als auch einen Kassenbericht habe Juhnke im April 2023 via E-Mail erhalten. Die Rundmail war an „Bundesbrüder“ adressiert. Auf Anfrage des „Spiegels“ distanzierte sich Juhnke von der Gothia. Sein letzter Besuch habe „etliche Jahre“ zurückgelegen. Von Verbindungen in die rechtsextreme Szene habe er keine Kenntnisse.
Werner Graf, Grünen-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, forderte nun Konsequenzen: „Die Vorwürfe, die gegen Robbin Juhnke im Raum stehen, sind kein Kavaliersdelikt.“ Es stehe zur Debatte, ob Juhnke im Ältestenrat und dem Präsidium verbleiben könne.
Juhnke tritt aus Iuvenis Gothia aus
Juhnke stritt die Vorwürfe ab. „Ich bin und war niemals Mitglied der Burschenschaft Gothia“, erklärte er am Freitagnachmittag in einer Pressemitteilung. In seiner Jugend sei er in der Schülerverbindung Iuvenis Gothia aktiv gewesen, habe aber „seit etlichen Jahren“ an keinen Treffen mehr teilgenommen. „Diese Passivität habe ich zum Anlass genommen, meine Mitgliedschaft heute auch formal zu beenden. Aus der Iuvenis Gothia bin ich ausgetreten.“
Juhnke räumte ein, „extremistische Thesen“ nicht wahrgenommen zu haben. „Wer mich kennt, weiß, dass ich mich von allen Formen von Extremismus distanziere.“ Dabei erhielt er aus eigenen Reihen Rückendeckung: Dirk Stettner, Vorsitzender der Berliner CDU-Fraktion, sagte laut der Mitteilung, es bestehe kein Zweifel an der Integrität von Robbin Juhnke. Dieser sei seit vielen Jahren ein auch über die Parteigrenzen hinweg anerkannter Parlamentarier. „Unser Vertrauen in seine Person und seine Arbeit bleibt unverändert, es gibt keinen Anlass zur Neuverteilung von Aufgaben oder Ämtern.“
Parteikollegin Grütters erschüttert über den Fall Kurth
Der Kritik der Grünen schloss sich Carsten Schatz, Vorsitzender der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, an. „Die CDU muss aufklären, weshalb der Abgeordnete Juhnke bei der rechtsextremen Burschenschaft Gothia als „Bundesbruder“ geführt wird und eine klare Grenze ziehen. Eine Verbindung in extrem rechte Kreise wäre mit dem Amt im Präsidium des Abgeordnetenhauses unvereinbar.“
Die frühere Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) reagierte erschüttert auf die Berichte, wonach ihr früherer CDU-Parteifreund Peter Kurth ein Treffen mit Rechtsextremisten in seiner Wohnung abhielt. Sie sei darüber wie viele Freunde „echt erschrocken“, sagte Grütters dem „Spiegel“.
Kurth und Grütters galten in den Neunzigerjahren als liberale Hoffnungsträger der Berliner CDU. Unter dem damaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) wurde Kurth zunächst Staatssekretär für Finanzen, später dann Berliner Finanzsenator.
Grütters erklärte, sie sei mit Kurth „seit mehr als 30 Jahren“ befreundet. Als Kurth nach dem Ende seiner politischen Karriere in die Wirtschaft gegangen sei, seien die Kontakte seltener geworden, „blieben aber immer gut“. Politische Differenzen habe es zwischen ihnen eigentlich erst gegeben, als er die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich kritischer bewertet habe, als sie dies bis heute tue. „Dass er allerdings einen Weg so weit nach rechts einschlagen würde, wie es die jetzigen Meldungen vermuten lassen, habe ich weder erwartet, noch bemerkt oder gar gewusst“, sagte Grütters.
Die CDU-Politikerin hat Kurth nach eigenen Angaben noch nicht aufgegeben. „Den Stab zu brechen über jemanden, der vielleicht auf einem Irrweg oder an einer bestimmten Stelle falsch abgebogen ist, das kann und möchte ich in diesem Fall nicht, zumal ich mit ihm noch nicht ausführlich sprechen konnte“, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete. Als Freundin wolle sie mit ihm reden, „um einschätzen zu können, ob er wirklich nach rechts abgedriftet ist, oder ob er sich nur verlaufen hat“.
Kurth hatte vergangene Woche zu der Veranstaltung im Juli vergangenen Jahres in seiner Wohnung erklärt, „nicht alle“ genannten Personen zu kennen. Eine Gästeliste habe es nicht gegeben.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/enthullungen-um-berliner-ex-finanzsenator-peter-kurth-soll-in-ultrarechter-burschenschaft-aktiv-sein-11075221.html
passiert am 19.01.2024