Pushbacks an der deutsch-polnischen Grenze – schutzsuchende Menschen werden von der deutschen Bundespolizei nach Polen „zurückgewiesen“

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Seit etwa einem Jahr führt die katastrophale Situation an der polnisch-belarussischen Grenze zu lebensgefährlichen Fluchtrouten über Polen nach Deutschland und in weitere EU-Staaten. People on the move werden instrumentalisiert, um politische Konflikte auszutragen, werden in polnischen Lagern kriminalisiert, misshandelt und ihrer grundlegendsten Menschenrechte beraubt. Gelingt eine Weiterreise, erwartet sie hier das unwürdige zermürbende Asylrechtssystem Deutschlands, welches in vielen Fällen eine Dublin-Abschiebung zurück nach Polen vorhersieht.

Seit ein paar Wochen gibt es nun Berichte von Betroffenen, die vermuten lassen, dass sich die deutsche Bundespolizei neue menschenverachtende Strategien angeeignet hat, um mit Menschen umzugehen, die von ihrem Recht, Asyl zu beantragen, Gebrauch machen wollen.

Das momentane System sieht vor, dass eine Person nach der Einreise mit Asylgesuch in ein Erstaufnahmezentrum gebracht wird, wo weitere Schritte zum Asylverfahren eingeleitet werden. Stattdessen häufen sich derzeit Vorfälle, nach denen die Personen nach nur wenigen Stunden auf sächsischen Polizewachen direkt wieder hinter den Grenzübergang nach Polen gebracht werden, ohne Asylverfahren, aber mit einem Berg an Papieren, die eine „Zurückweisung“ dokumentieren. Demzufolge hätten sich die Einreisenden nicht zur Sache äußern wollen – ihr mehrfach geäußertes Asylgesuch wurde nicht gehört! Nur so wird eine Zurückweisung legal möglich. Mit anderen Worten wird hier die Praxis der menschenverachtenden Pushbacks legalisiert. Deutschland zeigt sich entsetzt über das Hin- und Herschieben von People on the move im polnisch-belarussischen Grenzstreifen und setzt gleichzeitig genau diese Praxis stillschweigend und rechtlich abgesichert fort.

Was bedeutet das alles und warum ist es so problematisch?

Pushback – ein Begriff, der mittlerweile auch der breiten Öffentlichkeit geläufig ist – bezeichnet die skandalöse Praxis, Menschen auf europäischem Boden das Recht auf Asyl zu verwehren.
Dass dies an den europäischen Außengrenzen passiert, wurde in den letzten Jahren mehr und mehr dokumentiert – wenn auch meist ohne wirkliche Konsequenzen für diejenigen Institutionen und Personen in Machtpositionen, die Menschen in überfüllten Schlauchbooten aufs Meer zurückschicken oder in Wälder und Mooren hinter Grenzen in unwürdigsten Verhältnissen leiden lassen und mit Gewalt wieder dorthin zurückbringen, wenn eine Einreise endlich geglückt ist.

Deutschland hatte in den letzten Jahren eine bequeme Rolle: relativ weit entfernt von diesen Außengrenzen konnten nicht zuletzt linke und grüne Politiker*innen hierzulande einerseits Kritik üben an den menschenunwürdigen Zuständen und Praktiken anderer Mitgliedsstaaten und sich für eine „faire“ Behandlung der Asylsuchenden aussprechen. Andererseits rühmte man sich mit der eigenen „Willkommenskultur“, die dann denjenigen zuteil wurde, die den beschwerlichen Weg bis nach Deutschland geschafft hatten – nur um sich dann jahrelang mit Behördengängen, bürokratischen Hindernissen und der Angst auseinandersetzen zu müssen, trotz allem nicht in Deutschland bleiben zu dürfen.
Gleichzeitig schafft die Dublin-Regelung, eine Klausel aus der in den 90ern verabschiedeten Asylrechtsreform, die Möglichkeit, Schutzsuchende wieder in den EU-Mitgliedsstaat zurückzuschieben, in dem sie als erstes registriert wurden. Auch hier hat Deutschland also die Möglichkeit, ganz legal alle Verantwortung von sich zu weisen.

Seit letztem Herbst kommen immer mehr Menschen über Belarus und Polen an der deutschen Grenze an. Der Weg ist von prekärsten Bedingungen, Gewalt und traumatisierenden Erfahrungen gezeichnet. Diese Gewalt erfahren diejenigen, die auf den Flucht sind, immer und immer wieder durch Grenzschutz, Polizei und andere Institutionen, auch europäischer Mitgliedsstaaten, in diesem Fall durch Polen. In Deutschland angekommen, setzt sich dieser Umgang nahtlos fort.
Eine Haltung von „Wir tun ja, was wir können, aber die anderen…“ wird im Angesicht der jüngsten Ereignisse ein weiteres Mal bloßgestellt und auf die Spitze getrieben. Dass sich die Bundespolizei ihre eigenen Rechtsgrundlagen bastelt, um Menschen nach Polen zurückschieben zu können, zeigt, dass wie im gesamten Asylsystem, rassistische und unmenschliche Praktiken mit oder ohne legale Grundlage durchgeführt werden.
Diese Scheinheiligkeit ist für uns nichts Neues, trotzdem ist es eine neue Dimension in der sich deutsche Behörden hier bewegen, um sich die eigene menschenfeindliche Grenz- und Asylpolitik vermeintlich zu legitimieren.
Das Recht auf Schutz ist ein Menschenrecht und dieses Recht wurde in den letzten Wochen von der sächsischen Bundespolizei verwehrt.

Eigenmächtig „legalisierte“ Pushbacks dürfen nicht zur Normalität und zu einer anerkannten Praxis werden, wie es schon an so vielen Grenzen der EU der Fall ist!
Wir rufen unabhängig von der Gesetzeslage als denkende und fühlende Menschen dazu auf, den Rassismus deutscher Behörden mit allen Mitteln zu bekämpfen und so eine menschenverachtende Scheiße nicht unkommentiert zu lassen.

Migration ist kein Verbrechen – wir fordern Bewegungsfreiheit, ein Leben in Sicherheit und Würde für alle!

Fight fortress europe – fight german police!

Pushbacks at the German-Polish border – people seeking protection are pushed back to Poland by the German federal police

For about a year, the catastrophic situation at the Polish-Belarusian border has led to life-threatening migration routes via Poland to Germany and other EU countries. People on the move are instrumentalized for political conflicts, are criminalized in Polish camps, mistreated and deprived of their most basic human rights. If they manage to continue their journey, they meet Germanys undignified and grueling asylum system, which in many cases foresees a Dublin deportation back to Poland.

For a few weeks now, there have been reports from people on the move suggesting new inhumane strategies of the German Federal Police to deal with people who want to claim their right for asylum.

The current system foresees that after a person enters the country with a request for asylum, the person is taken to an initial reception center, where further steps are taken toward the asylum process. Instead, incidents are currently accumulating according to which people are taken directly back over the border to Poland after only a few hours at Saxon police stations, without an asylum procedure but with a mountain of papers documenting a „rejection.“ According to this, the entrants would not have wanted to comment on the matter – their repeatedly expressed request for asylum was not heard! Only in this way a rejection becomes legally possible. In other words, the practice of inhumane pushbacks is legalized here. Germany is appalled by the pushing back and forth of people on the move in the Polish-Belarusian border strip and at the same time continues exactly this practice tacitly and legally secured.

What does it all mean and why is it so problematic?

Pushback – a term now familiar to the general public – refers to the scandalous practice of denying people the right to asylum on European soil.
As this is happening at the EU outside-borders, there has been increasing documentation in recent years – mostly without any real consequences for those institutions and people in positions of power who send people back to the sea in overcrowded boats or let them suffer in forests and swamps behind borders in the most undignified conditions just to return them there by force when an entry has finally succeeded.

Germany had a comfortable role in recent years: relatively far away from these external borders, even left-wing and green politicians in this country could, on the one hand, criticize the inhumane conditions and practices of other member states and speak out for a „fair“ treatment of asylum seekers. On the other hand, they boasted of their own „welcoming culture“, which was then applied to those who had made the arduous journey to Germany – only to have to deal for years with administrative procedures, bureaucratic obstacles and the fear of not being allowed to stay in Germany despite everything.
At the same time, the Dublin Regulation, a clause from the asylum law reform passed in the 1990s, creates the possibility of deporting protection seekers back to the EU member state where they were first registered. So here, too, Germany has the option of legally rejecting all responsibility.

Since last fall, more and more people have been arriving at the German border via Belarus and Poland. The way is marked by the most precarious conditions, violence and traumatizing experiences. Those who are fleeing experience this violence over and over again at the hands of border guards, police and other institutions, including those of European member states, in this case Poland. Once in Germany, this treatment continues seamlessly.
An attitude of „We do what we can, but the others…“ is once again exposed and taken to extremes in the face of recent events. The fact that the federal police are creating their own legal grounds to be able to push people back to Poland shows that, as in the entire asylum system, racist and inhumane practices are being carried out with or without a legal basis.
This hypocrisy is nothing new for us, nevertheless it is a new dimension in which German authorities move here to supposedly legitimize their own anti-human border and asylum policies.
The right to protection is a human right and this right has been denied by the Saxon Federal Police in recent weeks.

Arbitrarily „legalized“ pushbacks can not become the norm and an accepted practice, as it is already the case at so many borders of the EU!
Regardless of the legal situation, we, as thinking and feeling people, call to fight the racism of German authorities with all means and not to leave such inhumane shit pass without resistance.

Migration is not a crime – we demand freedom of movement, a life in safety and dignity for all!

Fight fortress europe – fight german police!

passiert am 07/2022