[ZH] Der Heilsarmee geht die Luft aus

Am 30. April 2022 war Walpurgisnacht. Die Verbrannt geglaubten melden sich zurück.

Weil die Heilsarmee in der Vergangenheit so wie in der Gegenwart alles andere als heilend ist.
Weil es keine Armee von missionarischen Christ:innen braucht.
Weil wir ein Leben ohne militärische und religiöse Armeen wollen,
haben wir die Reifen von 3 Fahrzeugen der Heilsarmee in Wetzikon (ZH) geplättet.

Damit reihen wir uns ein, anti-national und anti-patriarchal, gegen Hetze und religiöse Missionsarbeit.

Was steckt hinter der Heilsarmee?

Die Heilsarmee wurde 1865 in London gegründet. Ab 1882 gab es sie in der Schweiz. Sie ist als christlich-protestantische Freikirche Mitglied der weltweiten Evangelischen Allianz (EA), die sich als globale Bewegung versteht. Die Heilsarmee ist – Überraschung – militärisch strukturiert. Ihre Waffe das Evangelium, ihre Organisation eingeteilt in Ränge (Salutisten, Offiziere, Generäle). Die ehrenamtlichen Heilssoldat:innen werden in der Schweiz in Biel ausgebildet. Die Heilsarmee versteht sich als Teil der evangelischen Bewegung.

Konversionstheraphie: Heilen durch Unterdrücken und Zerstören

Die EA vertritt öffentlich die autoritäre Haltung, dass Heirat die einzige von Gott geschaffene Institution ist, welche erlaubt ist. Und zwar zwischen einem Mann und einer Frau. Die Heirat ist zudem die einzige Form der Partner:innenschaft, die für Gott sexuelle Beziehungen erlaubt. “Homoerotische Beziehungen” sind gegen seinen Willen. Die EA behauptet, dieser Standpunkt sei nicht homophob, weil es hierbei um eine ethische und theologische Ansicht gehe, die in der Bibel nachzulesen ist.

“Wir stellen uns gegen die Akzeptanz von anderen Formen von Partnerschaften und unterstützen Gegner von einem biblischen Standpunkt aus. … Wir unterstützen Beratung und pastorale Unterstüzung von Christen, die einen inneren Konflikt erleben, weil sie gegen die biblische Lehre gleichgeschlechtliche Anziehung spüren. … Wir glauben, dass sowohl öffentliche Förderung wie auch privates ausleben von gleichgeschlechtlichen Beziehungen mit glaubenstreuer Kirchenmitgliedschaft inkompatibel sind, weil sie ausserhalb Gottes Absichten liegen.”

Evangelische Missionsarbeit und Seelsorge heisst, Menschen in ein heteronormatives Eheleben zu bekehren. Alle anderen Lebensformen werden als Krankheiten angesehen, von denen Menschen „geheilt“ werden müssen. Dafür wird im Rahmen einer Konversionstherapie das Ziel verfolgt, homosexuelle Menschen „umzupolen“. Ein Seelsorger der Heilsarmee, der sich als Heiler versteht, betet wie gefolgt die Homosexualität einfach weg: „Im Namen Jesus Christus von Nazareth. Ich löse mich davon, dass ich mich von Männer angezogen fühle. Ich löse mich von dieser gleichgeschlechtlichen Liebe.“ Die sogenannten Konversionstherapien werden nebst der Heilsarmee auch von anderen evangelischen Freikirchen und Organisationen angeboten. Jedoch gibt es von wenigen diesbezüglich eine öffentliche Transparenz. Es ist jedoch bekannt, dass Konversionstherapien in z.B Deutschland bereits verboten wurden und Vertreter*innen dieser aus Deutschland deshalb in die Schweiz gehen um dort ihre Praxis weiterzuführen. So zum Beispiel Fundamentalist:innen wie jene von der „Bruderschaft des Weges“ (Zürich) oder von wüstenstrom.ch (Pfäffikon/Wetzikon).

Eine Praxis die Menschen zerstört, indem sie ihre Sexualität unterdrückt, ihnen einredet, sie seien krank und damit zu einer repressiven Sexualmoral beiträgt, ist Teil des Fundaments einer autoritären, obrigkeitsgläubigen und patriarchalen Gesellschaft.

Heilung auf der ganzen Welt

Die vier Grundpfeiler des evangelischen Glaubens sind die Notwendigkeit eines persönlichen Bekehrungserlebnis (Konversionismus), die volle Vertrauenswürdigkeit der Bibel (Bibeltreue), das „Versöhnungswerk“ von Jesus am Kreuz (wir sündigen alle, uns kann aber vergeben werden, wenn wir unser Leben für ihn opfern) sowie einem „Aktivismus zur Ausbreitung der Evangeliums“ (Missionsarbeit).

Die EA wurde mit dem Motto “Wir sind ein Körper in Christus” 1846 gegründet. Ende Jahres hatte sie 3000 Mitglieder weltweit. Heute sind es viele Millionen.

Sie wurde als Antwort auf die Verbreitung von aufklärerischen und liberalen Weltsichten im 19. Jahrhundert aufgebaut. Wir stehen nicht hinter den liberalen und aufklärerischen Weltsichten, denn auch sie sind Teil des Patriarchats und auch sie haben zum heutigen kapitalistischen Zeitalter beigetragen.

Zwischen den zwei Weltkriegen (1918-1939) sieht die EA Kommunist:innen als Bedrohung und vereint sich mit orthodoxen Christ:innen gegen diese. Gleichzeitig erfolgt keine Distanzierung gegen das Dritte Reich und gegen Hitler. Da auch der deutsche Nationalsozialismus die Idee einer Schöpfungsordnung vertritt, in der alle Menschen in einer Hierarchie angeordnet sind, ist das nicht überraschend.

Heute basiert viel evangelische Missionsarbeit auf der “Lausanner Verpflichtung” von 1974 zur Verbreitung des Christentums auf der ganzen Welt. An diesem Treffen haben 2300 “Weltevangelist:innen” aus 150 Ländern die Zielvereinbarung unterzeichnet „alle Völker zu Jüngern zu machen”. Einer der berühmten Evangelist:innen ist zum Beispiel Jair Bolsonaro, der rechtsextreme Präsident Brasiliens.

In ganz Abya Yala* gibt es Heerscharen von Evangelist:innen, welche mit diversen Methoden die lokale Bevölkerung zum Evangelium bekehren wollen. So wird beispielsweise ausschliesslich Menschen Zugang zu lebensrettender Unterstützung gegeben, die sich dem evangelischen Glauben anschliessen. In der kolonialen Tradition der „guten Tat“ und mit Geld aus Europa werden indigene Gemeinschaften als minderwertig erklärt, eine westlich, patriarchale Weltordnung wird auferlegt und lokale Kulturen des Zusammenlebens werden zerstört.

Diese Praxis hat Geschichte und System. Ein Beispiel: 1969 unternahm Rockefeller, als Vizepräsident des damaligen US-Präsidenten Nixon, eine Reise durch Abya Yala. In seinem Reisebericht hat er der US-Regierung, der CIA und weiteren Behörden empfohlen, die Ausbreitung fundamentalistischer evangelikaler Gruppen in Lateinamerika zu fördern. Damit sollte die Macht der lateinamerikanischen katholischen Kirche gebrochen werden, in welcher zu dem Zeitpunkt die Theologie der Befreiung von grosser Wichtigkeit war. Diese Theologie widersprach den US-amerikanischen Interessen auf dem Kontinenten, denn in ihr wurde gepredigt, dass oberste Priorität ist, die Rechte der Ärmsten und Marginalisiertesten zu verteidigen.

Auch auf dem afrikanischen Kontinenten gibt es zahlreiche evangelische Kirchen, die aktiv das Ziel verfolgen, ein westliches, „traditionelles“ Familienmodell durchzusetzten. In Ghana zum Beispiel versuchen evangelische Kräfte ein Gesetz durchzubringen, welches jegliche Genderidentitäten und sexuelle Orientierungen, welche von Cisgeschlechtlichkeit und Heterosexualität abweichen, verbieten soll. Wer Sexualität frei auslebt und für die Rechte von LGBTIQ kämpft, soll gebüsst, eingeknastet und zur Konversionstherapie gezwungen werden. Homosexualitaet wird als neokolonialer Import aus dem Westen angefeindet und restriktive Geschlechterrollen verbreitet. So erzählt ein Aktivist, dass es bis vor kurzem üblich war, dass Männer die Hand eines Bruders oder Freundes hielten. Heute überlegen sich dies Menschen zwei Mal, weil sie riskieren als homosexuelle Person eingestuft und angegriffen zu werden. (WOZ, 31.3.2022)

Das sind nur einzelne Beispiele einer kolonialen, christlichen Praxis, die hunderte Jahre alt ist. Nicht nur früher haben europäische Kolonialisator:innen Land erobert, Gemeischaften zerstört und Hetero-Cisgeschlechtlichkeit aufgedrückt. All das wird auch heute praktiziert.

Marsch für das Leben

Die Heilsarmee, als Teil der EA, ist auch an den „Märschen für das Leben“ beteiligt. Schwangerschaftsabbrüche sollen nicht sein, weil sie gegen Gottes Willen verstossen.
In der Schweiz finden der „Marsch für das Leben“ jeweils im Herbst statt. Die EA ist Teil der Träger:innenschaft des „Marsch für das Leben“, was in der Vergangenheit bereits einige Male Anlass war für direkte Angriffe auf ihre Mitglieder. Auch gibt es jährlich eine Gegendemonstration gegen den Marsch der Fundamentalist:innen.

Warum handeln?

Die Heilsarmee ist nur eine von vielen evangelischen Organisationen, die missionarisch aktiv ist. Das Christentum hat eine lange, blutige Missionierungsgeschichte. Gehorsamkeit, Ehrfurcht, eine einzige richtige Lebensform: dahinter steckt eine koloniale, patriarchal-kapitalistische Ideologie, die verschiedene indigene Lebensformen genauso zerstört, wie hier in der Schweiz Menschen unterdrückt. Ein krasses Beispiel in der Schweiz für eine solche Vereinheitlichung sind die administrative Zwangsversorgung und Unfruchtbarmachung aller, die nicht in die eine, richtige schweizerische Lebensform passen oder passen wollen: Entführung jenischer Kinder, Zwangsversorgung von weiblich sozialisierten Personen mit unehelichen Kindern, psychiatrische Versorgung von Homosexuellen, etc. Praxen die bis in die 80er Jahre angewand wurden. Ein aktuelles Beispiel ist die Konversionstheraphie.

Der Widerstand gegen evangelische Fundamentalist:innen ist international. So haben z.B Freund:innen in Deutschland aus ähnlichem Anlass in Tübigen bereits die TOS (Tübinger Offensive Stadtmission) angegriffen (https://barrikade.info/article/3033) und die Kirche St. Elisabeth mit ihren „Lebensschützerinnen“ in Berlin (https://de.indymedia.org/node/58807).

Wir verstehen ihr „Heil“ als Unheil. Deshalb handeln wir.
Gegen militärische und evangelische Allianzen!
Gegen das Vergessen christlich-westlicher Zerstörung in der ganzen Welt!
Gegen Autorität!
Gegen die westlich-christliche Zivilisation!

Heilen heisst Wunden schliessen. Menschen unterstützen, selbstbestimmt zu leben wie sie wollen und zu lieben wen sie wollen. Und für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der das für ALLE möglich ist.

Die Brockenhäuser der Heilsarmee sind sichtbare Orte, die Teil einer zerstörerischen Bewegung sind. Wir hätten auch etliche andere Orte angreifen können.

Wir haben uns für eine einfache und leicht nachahmbare Methode entschieden: Mit einer Ahle seitlich in die Reifen stechen und ihnen somit die Luft nehmen. Diese Methode ist kaum sichtbar oder hörbar und mensch kann somit gut an die Orte hin- und wieder wegkommen. Zudem braucht es nicht viel Kraft um einen Reifen einzustechen. Trotzdem; arbeitet sauber und achtet darauf, keine ungewollten Spuren zu hinterlassen.

Die Welt die wir wollen ist Anti-Rassistisch, Anti-Patriarchal und Anti-Kapitalistisch. Weil das Leben ohne schöner ist.

Wir grüssen alle, weltweit, die in diesem Sinne zusammen kämpfen.

Für eine anarcha-feministische Revolution!

Gruss und Kuss,
eine feministische autonome Zelle

 

*Abya Yala ist ein von Indigenen Menschen verwendeter Begriff, der bewusst anstelle des eurozentrischen und kolonialistischen Begriffs „Amerika“ verwendet wird. Abya Yala ist ein politischer Begriff und vermittelt eine klare Position antikolonialer Kämpfe.