Aktionen gegen Gorillas-Warehouses in mehreren Bezirken
Aufgrund der fortlaufenden Bemühungen der Gorillas-Bosse, die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiter*innen zu sabotieren, haben wir in der Nacht auf den 03.03.22 an vier Standorten in Berlin (Tempelhof, Moabit, Pankow, Friedrichshain) Scheiben eingeworfen, Türschlösser verklebt und großflächige Parolen in Solidarität mit den selbstorganisierten Arbeitskämpfen hinterlassen.
Angetrieben von Unmengen an Risikokapital frisst sich Gorillas als schillerndster Vertreter der Plattform-Ökonomie seit 2 Jahren wie eine Lawine durch die europäischen Metropolen. Die Wachstumserwartungen der Investoren im Nacken, hetzen nun in schon fast allen Berliner Bezirken die Gorillas-Fahrer*innen durch den Stadtverkehr und die Picker durch die Regale der Warehouses. Bei dem von Gorillas, Flink und Co. praktizierten Geschäftsmodell gerät jedoch nicht nur die Gesundheit der Arbeiter*innen unter die Räder, auch die vielfältig vonstatten gehende Polarisierung urbanen Lebens wird hier im Anschein „smarter“ Bedürfnisbefriedigung unter Hochdruck vorangetrieben.
Das schnellste Einhorn
Deutsche Start-Ups standen 2021 an zweiter Stelle, was die sogenannte Einsammlung von Deals, genauer den Umfang an Risiko-Kapital betrifft, welches an Start-Ups in ganz Europa von privaten Anleger*innen ausgegeben wurde. Insgesamt stieg im letzten Corona Jahr das Volumen dieser Investitionen in Start-Ups massiv an. Diese hohe Aktivität der sogenannten Venture-Capital-Investitionen zeigt, wie gut es trotz oder wegen des Corona Jahres auf dem Finanzmarkt sprudelt.
Gorillas sahnt ganz weit vorne groß ab. Im letzten Quartal 2021 ganze 860 Millionen Euro.
Das Jungunternehmen, wie es heißt, kam im letzten Jahr auf einen Umsatz von knapp 260 Millionen Euro, wächst angeblich monatlich zweistellig und erreiche die höchste Wiederbestellrate der Branche. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit eines Börsengangs für das sogenannte Unicorn (ein Start-Up ab einer Milliarde Marktwert).
Seine größten Konkurrenten sind in Deutschland Flink und auf dem US Markt, das seit 2013 als Vorbild dienende GoPuff.
Das Ziel von Risiko-Investitionen in mehrere Start-Ups gleichzeitig, ist allem voran die Vermögensvermehrung der privaten Anleger*innen.
In der obigen Runde engagierten sich neben den Altinvestoren wie Atlantic Food Labs auch der chinesische Tech-Konzern Tencent, der Hedgefonds Coatue (im Vorstand von Gorillas), DST Global und als ein neuer Geschäftsführer Felix Chrobog, der ehemalige Deutschlandchef von Deliveroo.
Die bestechende Logik hinter diesem Risiko Spiel ist folgende: Es gilt für die Anleger*innen überall dort mitzumischen, wo die Aussicht auf Wachstum besteht. Die tatsächliche Ware und Dienstleistung spielt hierbei keine Rolle. Erwartet wird eine Übernahme der jeweiligen Start-Ups durch größere Unternehmen mit dem großen Ziel des Börsengangs. Durch das Konzept der Gutscheine wird die Nachfrage in die Höhe getrieben. Die schnellen Expansionen über Städte und Ländergrenzen hinaus sollen die Marktmacht gegenüber den Konkurrent*innen erhöhen.
Die Rentabilität steht vorerst nicht im Vordergrund. Im ersten Finanzierungsjahr gab es beispielsweise keine Transparenz über den Umsatz von Gorillas. Der Spielcharakter kommt von der Dynamik der Ausdehnung, der Verdrängung und der Übernahme durch Konkurrenzunternehmen. Wer am schnellsten wächst steht am besten da, kriegt die meisten Investitionen, setzt sich durch und kann am Ende seine Anteile auf dem Parkett der Börse feil bieten.
Dieses Modell heizt den Konkurrenzkampf an und nimmt im Falle der Lebensmitteldienstleistungen entscheidenden Einfluss auf die Preise des Lebensmittel- ,Miet und Arbeitsmarkts der jeweiligen Standorte. Und langfristig auch auf unsere Konsumgewohnheiten und den Umgang mit Lebensmitteln. Das Konzept baut auf einer Polarisierung in der Gesellschaft auf, zwischen denjenigen die sich beliefern lassen und denjenigen die prekär angestellt sind.
Und was wäre ein verantwortungsbewusstes Jungunternehmen, dass die Interessen der Anleger*innen ernst nimmt, ohne Union Busting.
Union Busting
Als Folge der Streiks und Arbeitskämpfe im letzten Jahre vor allem in Berlin, zeigte Gorillas mit gleich zwei Umstrukturierungsprozessen kurz vor dem Gerichtsverfahren (bei dem es um die Einführung von Betriebsratswahlen ging), dass der Konzern bei den ganz Großen mitspielen kann.
Gorillas verschickte Überleitungsverträge an 1.700 seiner 2.000 Beschäftigten, die damit noch im Oktober in eine neu gegründete Tochterfirma ausgelagert wurden. Seitdem beschäftigt die Gorillas Operations GmbH & Co KG alle Kuriere und die Mitarbeiter*innen in den Lagerhäusern. Die Angestellten aus der Firmenzentrale und Verwaltung verblieben in der Gorillas Technologies GmbH.
Einen Tag vor dem Urteil verkündet das Unternehmen als zweiten Schritt, seine Lager in eigenständige Einheiten auszugliedern – in sogenannte Franchise-Unternehmen – vorerst nur in Berlin. Dazu sagt das Unternehmen: „Alle klassischen Unternehmeraufgaben werden an die neuen Betriebseinheiten übertragen. Dazu gehören Schichtplanungsthemen, Weiterbildungsmöglichkeiten und Einstellungen“. Für die Unternehmenseinheiten seien dann Manager vor Ort verantwortlich. Und im Sprech all dieser Weltverbesserer: „Durch das neue Modell räumt Gorillas den Teams in den jeweiligen Warehouses mehr Eigenständigkeit, Gestaltungsspielraum und Flexibilität ein und stellt sicher, dass sie einen positiven Beitrag für ihre Kieze leisten können.“
Nicht ohne Zynismus kann daraufhin die Aussage des Gorillas Sprechers nach dem Gerichtsurteil aufgefasst werden, der fest stellte, es sei nun ja nicht klar, für welche Firma der Betriebsrat überhaupt zuständig sein soll, schließlich wurden Teile des Unternehmens ausgelagert.
Die Zerstückelung des Unternehmens und die Vereinzelung der Arbeiter*innen, kann nicht anders als den systematischen Versuch gewertet werden, die Organisierung der Arbeiter*innenschaft zu blockieren und die Verantwortung für die Unterdrückung von Arbeitskämpfen an die Manager weiter zu geben.
Noch dazu will Gorillas die Firma in eine Holding mit Sitz in den Niederlanden umwandeln. Ein letzter Schritt, um den Fängen des hiesigen Arbeitsrechts zu entkommen.
Click and Track
Die Plattformökonomie ist auf prekäre Arbeiter*innen angewiesen. Gleichzeitig schafft sie mit beschissenen Arbeitsbedingungen und durch das Aushöhlen jeglicher Arbeitsrechte noch mehr prekarisierte Menschen.
Die Menschen sind nicht mehr angestellt und verlieren somit noch die letzten „Privilegien“ einer regulären Anstellung: krank sein zu können, feste und planbare Arbeitszeiten, Arbeitsmittel, die zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr hangeln sie sich von einem kleinen Job zum nächsten. Bestehen kann in dieser Logik nur, wer permanent fit ist und funktioniert. Gleichzeitig werden diese Jobs auf so kleinteilige und simple Aufgaben runter gebrochen, dass alle jederzeit ersetzbar sind. Diese Attitüde wird den Fahrer*innen unverhohlen vorgehalten. Sie sollen diese existenzielle Angst verspüren, dass sie beliebig austauschbar sind und der*die nächste schon in der Schlange steht, um ihren Platz einzunehmen.
Wer nicht mehr mitkommt, sortiert sich quasi von selbst aus. Alle werden nur genau für die von ihnen konkret erbrachte „Leistung“ bezahlt. Dies fördert auch die Konkurrenz unter den Arbeiter*innen. Schnell sein, bevor eine andere Person den heiß begehrten Auftrag bekommt. Gleichzeitig ermöglicht die Vergabe der Aufträge in Echtzeit per App und die Übertragung von GPS-Daten eine allumfassende Kontrolle der Arbeiter*innen. So kommt es schon mal vor, dass diese zur Geschäftsleitung zitiert werden, wenn sich Abweichungen vom vorgegebenen Verhalten anhand der Bewegungsdaten ablesen lassen.
Die Vereinzelung der Arbeiter*innen ist Teil des Konzepts der Plattformökonomie an sich. Wenn der alltägliche Kontakt zu anderen Arbeiter*innen fehlt, ist eine gemeinsame Organisierung erheblich erschwert oder gar nicht möglich.
Deswegen ist es umso erfreulicher, dass die Rider*innen von Gorillas (und andere) es in den letzten Jahren trotzdem und langfristig geschafft haben, zusammen zu kommen, zu streiken und gemeinsam gegen diese Scheiße auf die Straße zu gehen.
Workers united will never be devided!
Gegen die Bosse und jede Autorität!