Unter der Straße liegt der Strand – für ein Ende des automobilen Kapitalismus!
Smash Capitalism, Block IAA
Die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie wird bekanntlich nur vom Einfallsreichtum der deutschen Politik übertroffen. SUVs und Diesel-Gate, Waffenexporte und Braunkohleabbau, VW und BMW, Armin Laschet und Annalena Baerbock. Alles weltweit bekannte Gütezeichen deutschen Tatendrangs und Erfindergeistes: In liebevoller Verbindung zur Schau gestellt auf der diesjährigen Internationalen Automobil Ausstellung in München. Wer sehen will, was morgen bewegt, kann ihn dort bewundern, den neuen deutschen Exportschlager: E-Mobilität hurra, Klimaziele adé. Denn nur, wenn alles schön grün angemalt wird, bleiben wir Vize-Exportweltmeister der Herzen und dürfen den Porsche Cayenne behalten. Jetzt eben mit Lithium-Batterie.
Doch die automobile Zukunftsvision in grün ist nichts anderes als gelebte Dystopie. Eine Welt, die sich an kapitalistischem Wachstum statt an ökologischen Kipppunkten orientiert. Eine Welt, von der man sagen kann, dass sie verrückt ist, ohne eine andere zu kennen.
Autoland und -industrie müssen über die nächste Legitimierungsklippe gerettet werden, also präsentiert sich die sogenannte »grüne IAA« in München als Staatsbankett im E-Gewand. Doch kann kein Mobility-Theater darüber hinweg täuschen, wie deutsche Autoindustrie und Klimakrise made in Germany Hand in Hand gehen: beide manifestieren unaufhörlichen Wachstumszwang und aggressiven Standortnationalismus gleichwie spezifische Formen patriarchaler und neokolonialer Herrschaft. Gründe genug, sich mit ihr anzulegen.
Grünes Staatstheater im braunen Autoland
Mit freier Fahrt in den Klimakollaps – das zumindest scheint die Devise von Staat und Industrie in Deutschland zu sein. Da sich beider Allianz immerzu an kapitalistischem Wachstum orientiert, fällt ihre Antwort auf die Klimakrise erwartbar aus – selbst oder gerade wenn verheerende Flutkatastrophen im eigenen Vorgarten wüten.
Weil es Investitionsrisiken für deutsche Automobilkonzerne rasselt, wenn der nationale Vorzeigeschüler seine Hausaufgaben im Bereich »Green New Deal« nicht macht, stehen Wirtschaft und Politik unter Handlungszwang: genau dort soll die diesjährige Internationale Automobilausstellung Abhilfe schaffen. Während man dem emissionsreichen Verkehrssektor und damit auch der deutschen Automobilindustrie lediglich eine neue Antriebsart verpasst, treten Söders und Habecks mit heimatpolitischen Klimaschutzprogrammen zur Wahl an. Und: die neue schwarzgrüne Wähler:innenschaft applaudiert.
Wenn deutsche Politpromis dann beanstanden, dass Maßnahmen zum Klimaschutz die nationale Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährden dürften, steht diesem Anspruch all jene Gewalt ins Gesicht geschrieben, die vom freien Markt mit Musk’schen Marsvisionen geschmückt wird. Schließlich ist es so viel unterhaltsamer, das voll-automatisierte, luxuriöse Mars-Leben zu imaginieren, als sich die Laune am Mittagstisch mit nationalökonomischen Grenzregimen und den dazugehörigen ökologischen Auswirkungen zu verderben. Für diese Retter:innen im Kampf für die deutsche Wirtschaft ist der globale Süden nur dann von Interesse, wenn er Absatzmärkte und Rohstofflager für deutsche Autobauer:innen bereit hält. Gütesiegel der Vize-Exportweltmeister:innen war und bleibt es, lokale Ökonomien wie Lebensgrundlagen zu ruinieren und den direkten Raubbau an der Natur als notwendig zu verklären. Der Markt regelt – und konkurriert nieder, wo sich koloniale Kontinuitäten in stets neuen Herrschaftsformen aktualisieren: Weltgegenden, die als ehemalige Kolonien niemals eine wettbewerbsfähige Ökonomie aufbauen konnten, sind nun auch Austragungsort der Klimakrise made in Germany.
Schöne neue Betonwelt
Während staatlicher Standortnationalismus Infrastruktur und Arbeitsmarkt klärt, liefern BMW, VW & Co. jene Zukunftsvision, die das Land jetzt braucht: »Sehen, was morgen bewegt«. Konzerne, die noch vor wenigen Jahren Grenzwertprüfungen manipuliert haben, wollen sich auf der Münchener IAA nun als Lösung der Klimakrise inszenieren: knapp für eine Woche wird die ganze Metropole dem PR-Stunt der Branche unterworfen. Dabei muss die halbe Innenstadt als Ausstellungsfläche von Greenwashing mit Bürgerbeteiligung herhalten. Sogenannte „Open Spaces“ bilden das Bindeglied zum Messegelände via »blue lane« – einer Teststrecke für die neue »nachhaltige« Blechkarosserie.
Dabei braucht es nicht den witzlos visionären Claim der IAA, um zu sehen, was der stolze Autostaat hinterlässt: für das deutsche Kulturgut Autobahn wird unter Aufwendung horrender Beträge flächendeckend planiert, werden Städte und Wälder zu Betonwüsten. Die sogenannte autogerechte Stadt verwandelt den umkämpften öffentlichen Raum in automobiles Eigentum. Sie ist die Unterwerfung unserer Leben unter die Automobilität, sie ist zu Asphalt geronnenes Patriarchat. Weil sich autogerechte Stadtplanung am männlichen Arbeitsverhältnis und nicht an Reproarbeit, Care und Sorge orientiert, baut sie viele und vor allem schnelle Wege zwischen Wohnort und Arbeitsplatz. Sie ist damit nichts anderes als Abziehbild binärer Geschlechtertrennung.
Nothing to lose?
Doch munter läuft das Malen der one green world. Standortnationalismus ist dabei ideologischer Kit von Grünen bis AfD, geschäftsmännische Handshakes mit der deutschen Schlüsselindustrie vorm neuen E-Mobil inbegriffen. Da die Überwindung der Autoindustrie dem deutschen Wirtschaftsmodell den Treibstoff nehmen würde, fliegen Maßnahmen zum Klimaschutz vom Tisch und serviert wird eine neue Antriebsart: E-Mobilität, Deutschland liebt dich. Waren bis vor kurzem Verbrenner-SUVs noch der Kassenschlager, gilt die Umstellung auf Batteriebetrieb inzwischen als besiegelt. Denn an Abgas-Grenzen, moralischen Konsument:inneninteressen und der bevorstehenden Öl-Knappheit führt selbst für den Krisengewinner Deutschland kein Weg vorbei. Während Tesla die deutsche Autoindustrie blöd darstehen lässt, ist der Kampf zwischen Diesel-Faschos und Elektrojüngern hierzulande staatsmännisch geklärt: es rasselt direkte Investitionen in Unternehmen, Käufer:innenprämien und Ladeinfrastruktur. Die neue Antriebstechnologie soll den deutschen Autokonzernen aus der Patsche helfen – öffentlichkeitswirksam und mit großem Tamtam: Schließlich rettet man hier gerade die Erde!
Doch gerettet wird rein gar nichts, im Gegenteil, mit der Klimazerstörung werden ordentlich Profite gemacht. Der Verkauf des E-Autos als »nachhaltige Zukunftstechnologie« ist marktlogisch der nächste Schritt, um das klimazerstörerische Geschäft der Autoindustrie neu zu legitimieren. Allein die Produktion von E-Autos verursacht nochmals deutlich höhere Emissionen als die Herkömmliche. Für die Batterien wird der seltene Rohstoff Lithium benötigt, dessen Abbau enorme Wasserverschmutzung verursacht und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen machtpolitisch verlängert. Während sich das geopolitische Interesse an Öl-Feldern also auf die Lithium Vorräte in Südamerika und im Kongo verschiebt, ändert die E-Mobilität am Prinzip des Extraktivismus: nichts. Das Elektroauto ist nicht die Lösung des Problems, es ist nur dessen Fortsetzung mit grünem Anstrich.
Kämpfen in einer Welt in Flammen
Warum grün Malen, was längst in Flammen steht? Eine realistische Antwort auf die Klimakrise ist sicher nicht im verträumten immer Weiter-so des deutschen Autostaatstheaters zu finden. Für uns ist klar: wenn Staat und Kapital sich den Staffelstab in die Hand geben, kann eine echte Mobilitätswende nur von unten und gegen beider Allianz erkämpft werden. So umfassend die Inbeschlagnahme der Stadt München durch die Autoindustrie vom 9. bis 12. September sein wird, so offensichtlich dann auch die Gründe, sich mit diesem Schulterschluss und ihrem Schaulaufen anzulegen – so vielfältig aber auch die Möglichkeiten, diese Inszenierung zu durchbrechen!
Wenn deutsche Automobilkonzerne mitten in der eskalierenden Klimakrise ein grünes Münchener Mobility Märchen veranstalten, machen wir es zum Desaster: E-Autoparties sind kein Grund zum Feiern, sie zu blockieren ist erst der Anfang! Unsere Antwort auf die schwarz-grüne Agenda der IAA 2021 heißt: Autokapitalismus überwinden, für die Vergesellschaftung von Produktion und Mobilität, von städtischen wie ländlichen Räumen. Unter der Betonwelt liegt nicht nur der Strand, sondern auch die solidarische Gesellschaft – Let’s dare to fight for it!
Smash Capitalism, Block IAA.
8.–12. September MUENCHEN
Weitere Infos bei: sand-im-getriebe.mobi