Autonome Grüße an den Berliner Senat

Diese kleine Drohung haben wir an Müller, Geisel & Co. geschickt. Wir würden uns darüber freuen, wenn Menschen sie drucken und an die Parteibüros von Linken, Grünen und SPD in der ganzen Stadt zu plakatieren.

„Wir kündigen an, im Falle von weiteren Räumungen durch den Berliner Senat Chaos in der Stadt zu verbreiten. Wir sehen uns gezwungen diese Drohung auszusprechen, um die selbstverwalteten und unkommerziellen Räume dieser Stadt zu erhalten. Warum erklären wir im folgenden Text:

Der Frühling liegt in der Luft und ein Sturm zieht auf. Die Sonne erreicht zur Mittagszeit langsam das Erdgeschoss der Rigaer94 und wir müssen die Steine davor ausheben. Auf dem Køpi-Wagenplatz blühen ein paar Schneeglöckchen, doch wir müssen Beton gießen, um den Eingang zu sichern. Vor der Meute trinken die ersten Leute wieder ihr Feierabendbier aber wir müssen uns vorbereiten sie zu verteidigen, wenn wir nochmal eins drinnen trinken wollen. Aus den offenen Fenster der Potse dringt Punk, aber bald soll man eher die Rammen bewaffneter Eindringlinge hören.

Für die nächsten Monaten kündigen Immobilienkonzerne und der Berliner Senat eine große Räumungswelle an. Nachdem in den letzten 12 Monaten bereits das queerfeministische Hausprojekte Liebig34, die Kollektivkneipe Syndikat, der Wagenplatz Sabot Garden und die Zeltstadt in der Rummelsburger Bucht mit riesigen Aufgeboten geräumt wurden, sollen in den nächsten Monaten die Kiezkneipe Meuterei (erster Räumungsversuch 25.03.), die Rigaer94 (ein Angriff ist Anfang bis Mitte April zu erwarten), der älteste Jugendclub Berlins die Potse (unklar) und der Køpi-Wagenplatz (unklar) verschwinden.

All diese Räume haben etwas besonderes: Sie sind selbstverwaltet, dass heißt hier entscheiden alle gemeinsam und unabhängig von äußeren Strukturen. Sie sind unkommerziell, dass heißt keiner der Räume muss Profit machen. Es sind soziale Räume, hier kommen Nachbar:innen, Jugendliche, alte Punks und Menschen zusammen, die woanders ausgegrenzt werden. Hier gibt es keine Vorspeisen für 14 € sondern Küche für alle, das heißt auch für umme wenn mal jemand kein Geld hat. Sie sind kleine Inseln, auf denen die Regeln des kapitalistischen Alltags ein bisschen weniger gelten. Nicht Ellenbogengesellschaft sondern Räume, in denen aufeinander Rücksicht genommen wird. Natürlich sind sie weit weg davon perfekt zu sein, auch hier werden häufig Leute ausgeschlossen, die nicht so recht ins Bild passen. Auch hier passiert Scheiße. Sie sind keine Inseln der Glückseligkeit. Aber sie sind Teil einer gelebten Utopie. Sie sind Widerstandsnester gegen eine Stadt die immer gesichtsloser und beliebiger wird. Einer Stadt, in der das Portemonaie entscheidet, ob man zwischen Prenzlauer Berg und Dahlem wählen kann oder nur zwischen Stadtrand oder Straße. Sie sind die kleinen Schönheitsflecken in der Metropole der Reichen.

Die Reichen müssen sich keine Sorgen machen um ihre Treffpunkte. Weder um ihre Restaurants noch ihre Clubs. Denn die Kraftverhältnisse sind eindeutig auf ihrer Seite. Dem Staat ist das Recht auf unbegrenzten Reichtum wichtiger als das Menschenrecht auf Wohnen. Nichts ist ihm so heilig wie das Recht auf Eigentum, auf Grund und Boden. Weil irgendein Jockel Glück hatte, in reiche Verhältnisse geboren wurde und bei einer Zwangsversteigerung zugeschlagen hat, darf er bestimmen, wer in einem Haus wohnt – nicht die Nachbar*innen, die seit 20 Jahren im Kiez leben. Leute arbeiten die Hälfte der Woche für ihre Miete, weil der Kapitalismus nunmal so funktioniert. Die einen fressen ein vergoldetes Steak, die anderen nichts.

Viele der bedrohten Projekte existierten schon, als die Briefkästen und Rechtsformen der Immobilienkonzerne, die sie räumen wollen, erst erfunden wurden. Vor dem bürgerlichen Recht haben sie trotzdem keine Chance. Das Recht ist auf der Seite der Stärkeren. Falls es das mal nicht ist macht die Immobilienlobby Millionengeschenke an die Politik, um das Recht zu ihren Gunsten zu ändern. Christian Gröner zahlt 800.000 € an die CDU, die er auch mit den Mieten der Luxusneubauten in der Rigaer Straße erwirtschaftet. Verdrängung lohnt sich für alle.

Wir haben dem finanziell nichts entgegenzusetzen. Und das wollen wir auch nicht. Wir wollen nicht werden wir sie, keine Chef:innen über uns aber auch niemanden unter uns. Wir spielen ihr Spiel nicht mit. Die Gesetze sind auf der Seite des Kapitals. Unsere Orte aber stehen für Ideen, die mit den Grundlagen des bürgerlichen Rechts nicht vereinbar sind. Auch parteipolitisch haben wir dem nichts entgegenzusetzen. Wir wolllen niemanden wählen, um für uns zu entscheiden. Wir weigern uns jemandem die Macht zu geben, über unsere Kieze zu entschieden. Deshalb können wir nach ihren Regeln nicht gewinnen. Deshalb müssen wir zu anderen Mitteln greifen, deshalb greifen wir auch mal zum Pflasterstein.

Wir sind jedoch keine Opfer, die wie das Wild in die Enge getrieben panisch um sich treten. Wir handeln nicht aus blinder Rache. Wir kämpfen nicht nur um diese Räume, sondern für die Idee einer anderen Gesellschaft. Für ein anderes Zusammenleben und eine Stadt, in der niemand einsam zur Arbeit muss um die Miete für eine Wohnung zu zahlen, die sowieso zu klein ist. Eine solidarische Stadt für alle. In der beispielsweise Frauen und Transpersonen sicher leben können, in der niemand Angst davor haben muss abgeschoben zu werden oder von Nazis auf die Fresse zu kriegen. Wir kämpfen, weil es sich lohnt zu kämpfen.

Sollte der Berliner Senat eines der bedrohten Projekte angreifen oder räumen lassen, werden wir das nicht unbeantwortet lassen. Wir werden uns zusammenschließen, gemeinsam Pläne schmieden und die Stadt der Reichen angreifen. Wir werden nicht sagen wann und wo, weil es taktisch nicht das Schlauste wäre, aber auch weil wir es nicht können. Vielleicht fliegen Steine auf Luxusneubauten in Neukölln oder Friedrichshain, vielleicht fällt diesmal nicht die Ringbahn aus sondern der Flughafen Schönefeld, vielleicht brennen Luxuskarren nicht nur in Steglitz und Buch sondern auch in Köpenick und am Wannsee. Wir haben keine Führer:innen und wir brauchen keine. Aber wir können mit Sicherheit sagen, dass die Räumung einer dieser Projekte teuer werden würde.

Jede Räumung hat ihren Preis – neben einem materiellen auch einen politischen. Sollte der Senat die Politik der Verdrängung fortsetzen, werden wir das Wahljahr ins Chaos stürzen. Wir scheißen auf den angeblich linken Senat. Vielmehr glauben wir, dass wo eine rechte Regierung auf zu viel Widerstand stößt, eine linke her muss um den neoliberalen Umbau weiter voranzutreiben. Deshalb sehen wir Rot-Rot-Grün als Feind an. Ob Henkel oder Geisel: Nichts hat sich verändert! Sollten sie eines der Projekte räumen, werden sie auch ihre Treffpunkte schützen müssen.

Auch wenn die BZ es gerne hätte: Wir sind keine neue RAF und wir werden kein Haus und keinen Wagenplatz militärisch verteidigen können. Wir sind keine glorreichen Kämpfer:innen, auch wir haben Angst. Wir sind die Nachbar:innen von nebenan, die Leute in der Ringbahn oder vor dir auf dem Fahrradweg. Wir verbringen unsere Tage auf der Arbeit, in der Schule, Uni, auf der Straße oder zu Hause, kümmern uns um die Leute, die wir lieben, kochen, essen, putzen, lachen, feiern oder trauern. Aber egal ob Jugendliche oder Kneipengänger:in, ob Hausprojekt oder Wagenplatz, ob Nachbar:in oder Gefährt:in: Wir werden – wenn es sein muss – uns und unsere Stadt verteidigen. Deshalb warnen wir:

FINGER WEG VON MEUTE, POTSE, RIGAER94 UND DEM KØPI-WAGENPLATZ!

Mit feurigen Grüßen

129 Autonome“

passiert am 17.03.2021