Zu den jüngsten Ausschreitungen im spanischen Staat, die Repression (Teil II)!

Zu den jüngsten Ausschreitungen im spanischen Staat, die Repression (Teil II)!

Die Medien im spanischen Staat verkündeten am 03.03.21 die Inhaftierung von acht Anarchisten und Anarchistinnen in der Untersuchungshaft. Sie werden beschuldigt an den Ausschreitungen am Samstag, den 27.02.21, beteiligt gewesen zu sein, Teil einer kriminellen Organisation zu sein, des schweren Landfriedensbruchs und außerdem werden sie beschuldigt ein Fahrzeug der Guardia Urbana (lokale Bullen) in Brand gesetzt zu haben, wo sich ein Bulle drin befand, deswegen werden sie zusätzlich des versuchten Mordes beschuldigt.

Diese Info bestätigte sich heute, obwohl die Nachricht über die Verhaftung mehrerer vermeintlicher Anarchisten und Anarchistinnen schon seit dem Wochenende kursiert. Aber jetzt von Anfang an, weil diese Verhaftungen stehen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen, die im spanischen Staat seit der Inhaftierung von Pablo Hasél stattfinden.

Samstag 27.02.21

Im Zusammenhang mit den Protesten und Ausschreitungen rund um die Inhaftierung von Pablo Hasél fand auch am Samstag eine Demonstration in Barcelona statt, die im Verlauf des Abends eskalierte. Jetzt kann ernsthaft die Tatsache wiederholt werden, dass die Ereignisse, die gerade entlang des spanischen Staates stattfinden, weit über die Inhaftierung von Pablo Hasél hinausgehen. Immer mehr erscheinen andere Themen im Vordergrund, was aber nicht heißt, dass Pablo vergessen worden wäre.

Wie es meistens der übliche Vorgang ist, wurden auch diesmal ab einem gewissen Punkt Barrikaden errichtet, kapitalistische Symbole angegriffen, Läden geplündert und die direkte Konfrontation mit gewissen Repräsentanten des Gewaltmonopols gesucht. In der Innenstadt von Barcelona fanden wieder mal vermehrt Auseinandersetzungen mit diversen Sicherheitskräften statt. Der Höhepunkt dieses Abends, teils verleitet durch die Gesellschaft des Spektakels, teils weil dies in letzter Zeit selten stattfindet, war der Wurf eines Mollies – von mehr wissen wir nicht – und das Anzünden einer Bullenwanne mit Brennflüssigkeit vor der Bullenwache der Guardia Urbana auf den Ramblas.

Sehr früh berichteten die Medien über die Verhaftung von 14 Personen, und dass mindestens zwei dieser Personen im direkten Zusammenhang mit dem oben geschilderten Brandanschlägen standen. Nun dies war für uns nur eine Mitteilung der Medien und diese sind auch mit Vorsicht zu genießen. Es sind seitdem mehrere Tage vergangen und neue Infos sind veröffentlicht worden, meist über bourgeoise Medien und noch sehr wenig über anarchistische.

Sonntag 28.02.21

Ab dem Sonntag sickerten langsam über die Massenmedien Nachrichten, dass es sich um mehrere Personen handeln würde, und dass einige auch italienische und französische Staatsbürgerschaft haben würden.

Montag 01.03.21

Nun konnten wir sowohl auf Indymedia Barcelona sowie auch auf lokalen Medien die Nachricht lesen, hier, hier und hier, dass die katalanischen Bullen (Mossos d´Esquadra) in Mataró und in Canet de Mar zwei besetzte Häuser durchsuchten. Diese Durchsuchungen standen im Zusammenhang mit den Verhafteten Personen am Samstag und sehr schnell stellte sich heraus, dass acht der 14 Verhafteten in Verbindung mit den Geschehnissen gebracht wurden, wir meinen hiermit die Brandanschläge.

Die Medien berichten auch darüber, dass eine größere Anzahl italienischer Anarchisten und Anarchistinnen unter den Verhafteten sind, die auch im Zusammenhang mit den Ausschreitungen und den besetzten Häusern ständen, die durchsucht wurden. Eins dieser Häuser trägt den Namen Nabat1, dass andere Kanka.

Nun wurden, wie gesagt, in Mataró und Canet de Mar zwei besetzte Häuser durchsucht, von denen die Bullen meinen, die Bewohner und Bewohnerinnen würden im Zusammenhang mit den Ausschreitungen stehen. Diese Durchsuchungen gehen von der Comissaria General d´Informació und in Zusammenarbeit mit der Brigada Mòbil der Mossos d´Esquadra aus. Die Bullen wollten mittels der Durchsuchungen Beweise sichern und feststellen, was für eine Rolle die Verhafteten während der Ausschreitungen hatten und wie die Vorgänge unter ihnen während dieser gewesen sind. Es wurde auch verkündet, dass die Bullen die ganzen Aufnahmen analysieren werden um eventuell noch mehr Personen festzunehmen.

Aus den Medien konnten wir auch erfahren, dass allen acht Verhafteten die Bildung einer kriminellen Organisation, des versuchten Mordes und des Landfriedensbruchs vorgeworfen wird, auch dass die Bullen die Verhafteten für 72 Stunden, was das Gesetz auch erlaubt, in Gewahrsam hielten, bevor diese vor ein Gericht gebracht wurden, was am 02. März auch stattgefunden hat.

Alle anderen Personen, die am Samstag verhaftet und wegen Plünderungen und Sachbeschädigung an Geschäften beschuldigt wurden, sind auf freiem Fuß.

Hier ein Video der Bullen zu der Durchsuchung
https://youtu.be/H8lA8CDpZjc

02.03.21

Am Dienstag wurden die Beschuldigten dem Haftrichter vorgeführt.

03.03.21

Erst heute haben wir über die Medien erfahren, dass die acht Beschuldigten in Untersuchungshaft verbleiben, der Richter hat auch entschieden, dass es keine Kaution gibt, das heißt, dass bis zum Prozessbeginn alle Beschuldigten – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit – in Haft bleiben werden. Erst heute sind durch die Medien alle Anklagepunkte gegen die Beschuldigten bekannt geworden, nämlich versuchter Mord, Anschlag gegen die Autorität, öffentliche Unruhen, Schäden, illegale Versammlung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

Seit Montag wird seitens der Medien (auch linker) und der Bullen auch ein Narrativ verbreitet, das die Gesellschaft davon zu überzeugen versucht, um was für gefährliche Personen es sich handelt. Seit dem Beginn der Revolte ist klar, wer hier die Schuldigen sind, doch jetzt wird es durch eine direkte Verbindung mit der anarchistischen Bewegung sehr leicht dem Teufel die Hörner zu malen.

Die Gewerkschaft der Bullen hat gegen die Beschuldigten eine Anzeige wegen Terrorismus erstattet und vergleichen die Geschehnisse mit Kale Borroka2. Die Gespenster des Baskenlandes werden hier wieder freigelassen.

Über die jetzige Situation im Allgemeinem

Seit dem Anbeginn der Proteste in Solidarität mit Pablo Hasél wurden bis jetzt um die 140 Personen verhaftet und dies entlang des spanischen Staates. Wie viele sich gerade in Untersuchungshaft befinden, falls überhaupt, was aber sehr überraschend wäre falls nicht, wissen wir bis zum jetzigen Datum noch nicht. Außer die acht Personen über die wir gerade berichtet haben.

Die Geschehnisse im spanischen Staat haben seit langem nichts mehr mit der Inhaftierung von Pablo Hasél zu tun. Es sind nicht wir, die das sagen, sondern die Leute vor Ort. In vielen Interviews konnte gelesen werden, dass die Beweggründe vielfältig sind, und dass vielen sogar die Person von Pablo Hasél fremd sei. Wir berichteten schon im vorherigen Artikel darüber.

In Katalonien speziell wirft die jetzige Situation den meisten separatistischen Gruppen, Organisationen und Parteien einen Knochen vor, aber nur gewissermaßen, um ihre Rolle als Verwalter des Gewaltmonopols von sich zu geben, indem sie das Spiel des der spanische Staat ist an allem schuld spielen. Die falsche Dichotomie von Spanien=Faschismus ergo Katalonien, Baskenland, werauchimmersonstnoch=Antifaschistisch (aber im imperativen Sinne) wirkt Wunder und ist definitiv nichts Neues. Nebenbei rufen sie zur Gründung der berühmten Katalanischen Republik auf als Lösung aller Probleme, die, wie wir noch wissen, um die acht oder neun Sekunden dauerte. Vielleicht war es auch etwas länger.

Für die katalanische Realpolitik ist alles mehr Schall und Rauch als die Realität hergibt, die letzten Wahlen waren eine Katastrophe in jeglicher Hinsicht und bis jetzt konnte sich noch keine Regierung im Land bilden. Auch wenn über 50% der Personen, die an der Wahl teilgenommen haben, sich für die Unabhängigkeit ausgesprochen haben, darf nicht vergessen werden, dass die Wahlbeteiligung bei 53,54% lag. Es ist schwierig, mit so einer Beteiligung behaupten zu können, dass die Mehrheit der Massen hinter diesem Projekt steht. Und außer diesem Projekt, also das der Republik, gibt es nichts Konkretes mehr, kann es auch nicht.

Und nun muss das andauernde Fiasko gelöst werden, wo alle linken Parteien des Kapitals, ob nationalistisch oder landesweit, zwar die freie Meinungsäußerung vehement verteidigen, aber als Parteien der Ordnung müssen und werden sie dem Gewaltmonopol freie Hand geben, welches ja eigentlich gerade sie selbst sind. Dies wird von PSOE, über PODEMOS, bis hin zu allen anderen, sei es ERC, CUP, Bildu, usw. gemacht. Wenn die Gewalt nicht mehr für die eigenen Interessen kontrolliert werden kann, dann muss sie angezeigt werden. Dies tat nicht nur die Bürgermeisterin von Barcelona, die ehemalige Hausbesetzerin Ada Colau, sondern auch die Spitzenkandidatin der CUP.

Wir wollen nur auf viele Faktoren hinweisen, die weit über die Inhaftierung eines stalinistischen Rappers hinausgehen, der über den bewaffneten Kampf gesungen hat, während hunderte vor ihm ihn praktiziert haben und deswegen weiterhin im Knast sitzen.

Angesichts der Repression stellt sich die Frage, inwieweit die Solidarität auch automatisch den Revoltierenden gilt und was für Fragen dies aufmacht.

Die reformistische Losung für mehr freie Meinungsäußerung überdeckt genauso wie bei anderen Losungen (gegen den König, für einen gerechten Kapitalismus, für das Recht auf ein Heim, usw.) die revolutionäre Frage, die sich im spanischen Staat stellen sollte. Für die Linke des Kapitals ist der Mehrwert, welchen sie aus der Revolte schöpfen konnte, ausgeschöpft. Sie konnte diese als einen Aufstand gegen den spanischen Staat verkaufen, aber zu schnell standen die Interessen eines katalanischen Nationalismus – oder eines Republikanismus3 – auf wackeligen Füßen, denn auch dieser kann sich nur als eine kapitalistische Bewegung realisieren. Der Revolte soll nicht nur Einhalt geboten werden, sondern die Bourgeoise in Katalonien – sowie im Rest vom spanischen Staat – bittet die Parteien der Ordnung, die Lage unter Kontrolle zu kriegen und auch endlich eine Regierung, im Falle von Katalonien, zu bilden. Die Interessen des Kapitals stehen immer über allem anderen.

Wie so oft in der Geschichte steht die Revolte oder die Bewegung, die sie gerade am Leben erhält, vor einem Wendepunkt. Kann die Revolte sich verallgemeinern und einen weiteren gesellschaftlichen Charakter kriegen, sprich den Staat und das Kapital, fernab von der Fahne mit der sich diese tarnen, angreifen oder wird sie zugrunde gehen?

Genauso wie die Frage, wie es jetzt mit dem Kampf für die Gefangenen ausschaut, aber nicht nur mit denen der Revolte, sondern aller.

Dies sind Fragen, mit denen sich die Revoltierenden evtl. beschäftigen werden, oder auch nicht, es sind aber auch Fragen, mit denen sich hierzulande Anarchisten und Anarchistinnen beschäftigen sollten.

1) Nabat bedeutet auf russisch Sturmglocke und war auch der Name einer anarchistischen Organisation in der Ukraine zwischen den Jahren 1918 und 1920. Einer ihrer bekanntesten Mitglieder war Volin.

2) Kale Borroka bedeutet Straßenkampf auf Baskisch und dieser Begriff wird meistens dafür verwendet um die Auseinandersetzungen auf der Straße in den baskischen Ländern zu bezeichnen. Es wird als Terrorismus niedriger Schwelle verstanden, so zumindest wenn die Medien, die Regierung und die Sicherheitsbehörden diesen Begriff verwenden.

3) Jene Strömungen die gegen die Monarchie kämpfen und für eine Republik einstehen.

passiert am 03.03.2021