Demo: Corona ist das Virus – Kapitalismus die Pandemie
[english below]
Die Regierungen begegnen der Corona-Pandemie mit Einschränkungen, Lockdowns, Ausgangssperren, sozialer Isolation und dem Slogan „stay home, stay safe“. Der Staat macht deutlich, dass es wichtiger ist, den Kapitalismus am Laufen zu halten, als uns zu schützen und zu unterstützen. Profit zuerst.
Der Unterschied zwischen verschiedenen Arten von Arbeit macht dies besonders deutlich. Während die einen ins Homeoffice geschickt werden, wird vielen dieses Privileg verwehrt und sie müssen sich der Krise jeden Tag ohne ausreichenden Schutz stellen. Arbeiter*innen in Supermärkten, Lieferdiensten, Fabriken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas können nicht einfach von zu Hause aus arbeiten. Menschen werden genötigt, überfüllte öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und ihren Tag an einem Ort zu verbringen, an dem die Schutzmaßnahmen vom Arbeitgeber oft nicht umgesetzt werden, da der Gesundheitsschutz dem Geschäftsprofit untergeordnet wird. Tausende migrantische Saisonarbeiter*innen, aus dem (EU-)Ausland dafür eingeflogen, sind dazu gezwungen, in beschissenen Arbeitsverhältnissen auf engstem Raum in Ernte- und Schlachtbetrieben zu arbeiten und in Massenunterkünften zu wohnen.
Und zugleich sollen wir uns freuen, wenn wir überhaupt noch einen Job haben. Viele, die früher in Restaurants, Bars und im Kulturbereich gearbeitet haben, sind jetzt arbeitslos. Denn die von der Regierung auferlegten Einschränkungen betreffen vor allem die Freizeit. Kunst- und Kulturstätten mussten schließen, private Kontakte sollen stark reduziert werden. Die einzig erwünschte Freizeitgestaltung ist der Konsum.
Wir dürfen uns nicht vereinzeln lassen, wir müssen zusammen kommen, uns organisieren und kämpfen, in Betriebsräten und mit Arbeitsniederlegungen für mehr als nur Krisenbewältigung. Für die Überwindung der Lohnarbeit und der kapitalistischen Verhältnisse.
Die Ungerechtigkeiten des kapitalistischen Systems werden durch die aktuelle Gesundheitskrise noch verstärkt. Menschen, die bisher in unserer Gesellschaft unsichtbar gemacht wurden, werden weiter unterdrückt und ihre Lebensbedingungen zunehmend unerträglich. Die staatlichen Einschränkungen führen dazu, dass Menschen mit psychischen Problemen, Wohnungslose und Illegalisierte allein gelassen und vergessen werden. Gefangene werden isoliert, da Besuchszeiten und Hofgang reduziert oder sogar verboten werden. Migrant*innen werden weiterhin abgeschoben oder in Abschiebegefängnissen unter unmenschlichen Lebensbedingungen festgehalten. Sicherheitsmaßnahmen wie Abstand und einfache Hygiene sind in überfüllten Lagern an den Grenzen Europas wie Moria und Samos nicht möglich. Die Regierungen lassen die Menschen systematisch zurück und beschwören eine nationale Einheit, in der denjenigen Schutz versichert wird, die für die Aufrechterhaltung der Wirtschaft als wichtig erachtet werden.
Abstand halten bedeutet für Viele den Verlust sozialer Kontakte und Hilfsangebote. Notunterkünfte und Beratungsstellen sind geschlossen oder arbeiten stark eingeschränkt. Dabei ist gerade jetzt der Bedarf an Unterstützung groß. Häusliche Gewalt hat stark zugenommen. Doch die Überlebenden haben derzeit kaum die Möglichkeit, sich den Gewalttätern zu entziehen, „stay home, stay safe“ funktioniert für sie nicht. Die immer stärkere Betonung des traditionellen Familienmodells verschärft auch die Ausgrenzung von Menschen, die sich für andere Lebensmodelle entscheiden oder diejenigen, die nicht in die Geschlechternorm passen.
Die Aneignung des Begriffs der „sozialen Verantwortung“ durch die Regierungen soll verdecken, dass sie eigentlich nichts für die Menschen in dieser Krise tun. Stattdessen ermahnen sie uns, in unserem Privatleben verantwortlich zu handeln, um das hohe Infektionsrisiko auszugleichen, das wir eingehen müssen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Einschränkungen und Kontrollen für die Allgemeinheit, Hilfspakete für große Konzerne.
Wie könnten wir für uns selbst verantwortlich sein, in einer Gesellschaft der Kontrolle und Unterdrückung? Wir müssen uns gegenseitig unterstützen, solidarisch mit unseren Nachbar*innen und in unseren Kiezen sein. Nachbarschaftshilfe und Kiezkommunen sind eine Möglichkeit, uns so zu organisieren, dass niemand allein gelassen wird.
Seit dem Beginn der Pandemie gibt es rassistische Erzählungen, in denen als asiatisch wahrgenommene Menschen für den Ausbruch des Virus verantwortlich gemacht wurden und arabische Hochzeiten als Super-Spreader-Ereignisse galten. Polizeikontrollen und Gewalt mit dem Infektionsschutz als Vorwand richten sich mehrheitlich gegen People of Colour. Rechte Gruppen erstarken wieder in der Mitte der Gesellschaft, verbreiten faschistische Ideologie, Antisemitismus und Verschwörungstheorien.
Nein, wir müssen die Pandemie nicht leugnen. Wir müssen auch nicht Hand in Hand mit Neonazis marschieren, um die staatlichen Maßnahmen abzulehnen. Seit jeher gibt es Kämpfe und Auseinandersetzungen gegen Ungerechtigkeiten und Unterdrückung durch das kapitalistische und neoliberale System. Und Nationalismus war noch nie eine Lösung.
Wir sehen unsere Verantwortung in zwei Dingen, die nicht voneinander zu trennen sind:
Uns gegenseitig schützen – und dafür auch auf die Straße gehen, um uns auszutauschen, zu organisieren und zu kämpfen – für ein besseres Morgen.
Kommt alle am 23.01.2021 um 15 Uhr zum Carl von Ossietzky Park (vor dem Knast Moabit)!
[ U9 – Turmstr. / S-Bhf. Bellevue]
Nur gemeinsam sind wir stark genug, um die Krise zu überwinden und das System zu verändern!
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Corona is the virus – Capitalism the pandemic
The governments have been dealing with the Corona pandemic through confinements, lockdowns, curfews, social distancing and the slogan „stay home, stay safe“. The state’s position is clear: keeping capitalism running is more important than protecting and supporting people. Profit comes first.
The unequal treatment of different types of work makes this especially clear. Workers in supermarkets, delivery services, factories, nursing homes, schools and day-care centres simply cannot turn into home-office mode. They are facing the crisis every day without adequate protection. People are forced to use overcrowded public transportation and spend their day in places where protection measures are not implemented by their employer, subordinating health protection to business profit. Thousands of migrant and extremely precarious seasonal workers are flown in from abroad for this purpose and forced to work in cramped conditions in harvesting and meat processing plants while forced to live in overcrowded accommodations.
Meanwhile, we should feel happy about having a job. Many who previously worked in restaurants, bars and the cultural sector lost their job due to governmental restrictions that focus mainly on the private life. Arts and cultural venues must close, social contact is significantly reduced. What is left is to go shopping.
We will not allow them to isolate us. To crush wage labour and capitalist relations, we must come together and organize in unions and strikes, beyond the crisis.
The injustices created by the capitalist system have increased and become even more unbearable during the current health crisis. Historically invisibilized peoples are even more suppressed and their living conditions deteriorate even further. As a consequence of the state restrictions, people with mental health problems, homeless and illegalized people are left alone and forgotten. Prisoners are isolated as visiting times and yard walks are reduced or even banned, while the guards bring the virus into the prisons. Deportations never stopped and Migrants are held in deportation prisons under inhumane living conditions. Safety rules such as distance and basic hygiene are not possible in overcrowded refugee camps like Moria and Samos. The governments systematically leave people behind, invoking a national unity in which protection is assured to those in control of the economy.
For many people, keeping their distance means losing social contacts and their support systems. Emergency shelters and advice centres are closed or severely restricted, despite the fact that they are highly necessary. Domestic violence has dramatically increased. Yet survivors currently have little opportunity to escape the perpetrators of violence; „stay home, stay safe“ does not work for them. The ever-increasing emphasis on the traditional family model also intensifies the exclusion of people who choose other models of living or those who do not fit into the gender norm.
The appropriation of the notion of „social responsibility“ by governments hides the fact that they are not doing anything for people in this crisis. Instead, they intrude into our private life and push us into individually acting responsibly for keeping an irresponsible economy running. Restrictions and controls for the general public, aid packages for large corporations.
How should we be responsible for ourselves in a society of control and repression? We have to support one another, show solidarity with our neighbours and communities. Mutual aid and Kiezkommunen can be a way of organizing so that no one is left alone.
From the beginning of the pandemic, we faced racist narratives blaming people perceived as Asian for the virus outbreak. So-called Arab weddings were accused of being super-spreader events. On the pretext of security, racial profiling was reinforced, through police controls, harassment and violence which dis-proportionally targets Peoples of Colour. Right-wing groups regain strength in the middle of society, spreading fascist ideology, dragging along antisemitism and racist belief veiled as conspiracy theories.
We don’t need to deny the pandemic. Nor do we have to march hand in hand with neo-Nazis to reject state measures. There have always been struggles and fights against capitalist, neoliberal injustice and oppression. And nationalism has never been a solution.
We see a joint responsibility of protecting each other while taking to the streets to share ideas, organize and fight – for a better tomorrow.
Come to Carl von Ossietzky Park (in front of the prison Moabit) [next to U9 – Turmstr. / S-Bhf. Bellevue] 23.01.2021 at 3pm.
Together we are strong enough to overcome the crisis and change the system!