Nur die Menschen können sich selbst verteidigen. Zur aktuellen Lage in Rojava
Die Angriffe auf Rojava nehmen in den letzten Tagen akut zu. Wir möchten einen kurzen Überblick geben zu den Geschehenissen, unsere Informationen kommen aus den Medien und aus Gesprächen mit Menschen in Rojava.
Am 27.11.2024 nahm Hayʼat Tahrir al-Sham (HTS), eine radikal islamistische Gruppierung, die einst aus al-Qaida entstand und dann als al-Nusra Brigade bekannt wurde, zunächst dörfliche Regionen um Aleppo und dann große Teile Aleppos ein. Aleppo war geteilt und unterstand größtenteils dem syrischen Regime unter Assad. Innerhalb Aleppos gibt es aber auch 2 Stadtteile, die zur Selbstverwaltung Rojavas gehören. Das syrische Regime hat die eigenen Truppen ohne jeden Widerstand abgezogen. Weswegen Aleppo nun, außer in den 2 kurdischen Stadtteilen von den HTS kontrolliert wird.
Die unter dem Kommando der Türkei stehende radikalislamistische Milizenallianz Syrian National Army (SNA) hatte parallel zur Aleppo-Invasion durch HTS eine eigene Offensive gestartet. Die SNA wurde von der Türkei aufgebaut. 2018 wurde Afrin von der Türkei eingenommen und die SNA dort eingesetzt. Damals wurde die Bevölkerung evakuiert und viele sind nach Sehba gegangen, mit dem Wunsch wieder zurück zu kehren. Nun ist Sehba selbst belagert von der SNA. Die kurdische Selbstverwaltung hat entschieden, sich aus der Stadt Tel Rifat in der Region Sehba zurückzuziehen und evakuiert die Menschen. Nach Angaben des Volksrats von Efrîn-Şehba sollen bereits insgesamt rund 200.000 Menschen aus Tel Rifat über einen rund 150 Kilometer langen Korridor in die Kantone Tabqa und Raqqa, die zu Rojava gehören, transportiert werden. Zeitgleich gibt es Nachrichten von Geiselnahmen durch den SNA. Berichtet wird vor allem von kurdischen Frauen, die als Geisel genommen und in Videos misshandelt werden.
Die Türkei, Deutschland, USA und Israel sind alle Teile der Nato und daher Verbündete in diesem Krieg. Eine Hypothese ist, dass die USA und Israel mit den Angriffen in Syrien den Iran schwächen möchte und die Türkei als Bündnispartner die Gelegenheit nutzt, um die kurdischen Gebiete zu annektieren.
Die derzeitigen Angriffe unterscheiden sich von denen der letzten Jahre, in denen vor allem der türkische Staat zivile Infrastruktur und Menschen der Bewegung bombardiert hat. Jetzt manifestiert sich erneut ein internationaler Proxykrieg auf dem Boden und ein direkter Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerung, die seit Jahrzehnten hier eine solidarische Gesellschaft aufbaut.
Für die Selbstverwaltung in Rojava entscheidet sich in diesen Tagen sehr Vieles. Das die kurdischen Stadtteile von Aleppo und Sehba nun in den Händen von HTS und SNA sind hat verheerende Folgen. Die Situation des gesamten mittleren Osten entscheidet sich aktuell, in Rojava, in Gaza, im Libanon. Es ist ein internationaler Krieg. Hierbei geht es klar auch um ökonomisches Herrschaftsgebiet: USA, Israel und die Türkei haben als Natopartner Interesse an einem sogenannten „Energiekorridor“, sowohl Gaza als auch Rojava liegen auf dem Korridor.
Die imperialistischen Verbindungen gehen auch nach Deutschland: Waffenlieferungen von Deutschland an die Türkei und Israel sind uns bekannt und auch Deutschland hat als NATO Staat Verbündete und Interessen im mittleren Osten. Diese imperialistischen Interessen müssen wir uns entgegensetzen, wenn wir nicht Teil dessen sein wollen.
In Rojava wurde der allgemeine Notstand ausgerufen. Einerseits werden die bedrohten Orte evakuiert, andererseits wird zur Selbstverteidigung aufgerufen. Die Hêzên Parastina Civakî (HPC), zivile Selbstverteidgungsstrukturen der kurdischen Jugend sind in den umkämpften Gebiete.
Die Menschen in Rojava werden sich verteidigen. Dafür braucht es Überzeugung und Kraft, diese können wir auch durch Aktionen in Deutschland geben. Auch in Deutschland können wir gegen die Macht der NATO kämpfen. Gegen die Waffenlieferungen an die Türkei, an Israel. Die Menschen hier können sich nur selbst verteidigen und so können wir uns überall nur selbst verteidigen. Die syrische Armee hat erneut gezeigt: Nationalarmeen geht es nicht um die eigene Bevölkerung, sondern einzig um die Interessen des Staates.
Die Kämpfe der Menschen gegen Besatzung und Unterdrückung können nicht getrennt betrachtet werden, ebenso wenig wie die imperalistischen Kräfte, die auf den Schultern der Menschen um die Regionen und ihre Ressourcen wetteifern.
Es braucht Soli Aktionen und die Kämpfe lassen sich zusammen denken. Die Freiheit von Palästinenser_innen, die Freiheit von Kurd_innen, nur die Freiheit aller unterdrückten Menschen bedeutet die Freiheit für uns alle.
passiert am 3.12.2024